Propofol

Ich muss wahnsinnig sein. Nach einem Beitrag über Esketamin wage ich mich diesmal an das weltweit beliebteste Hypnotikum heran. Die Schwierigkeit ist, dass es so unfassbar viel Information zu Propofol gibt und es herausfordernd ist, das Wichtigste zu bündeln. Aber ich werde es versuchen.

Propofol ist ein Sedativum (0,5-1 mg/kg i.v., WH oder bis 4 mg/kg/h i.v.; Kind: bis 2 mg/kg i.v., WH oder bis ~ 8 mg/kg/h i.v.), Hypnotikum (1-3 mg/kg i.v.; Kind: bis 4 mg/kg i.v.), Antiemetikum (subhypnotisch ~ 0,1-0,2 mg/kg i.v. bzw. im Rahmen einer totalintravenösen Anästhesie ~ 4-10 mg/kg/h i.v.) und Antiepileptikum (s. Hypnose). Es besitzt keine analgetische Eigenschaften. Seine Wirkung wird primär über Agonismus an GABA-A-Rezeptoren vermittelt (Hyperpolarisation von Neuronen), wiewohl auch andere Rezeptoren involviert sind, zB Antagonismus an NMDA, Calcium oder nAChR.

Aufgrund seiner nur kurzen Wirkdauer von bis zu 10 Minuten bzw geringen kontextsensitiven Halbwertszeit ist Propofol sehr gut steuerbar und daher auch zur Aufrechterhaltung einer Hypnose während Operationen bzw auf der Intensivstation geeignet. Der antiemetische Effekt ist zur PONV-Prophylaxe relevant und entspricht mindestens dem Effekt eines „traditionellen“ Antiemetikums wie zB Ondansetron.

Die beiden wichtigsten Nebenwirkungen sind potente Atemdepression bis hin zur Apnoe und (drastischer) Blutdruckabfall (Vasodilatation, Sympathikolyse, Hemmung Barorezeptorreflex). Propofol gehört daher in die Hände von damit erfahrenen Ärzten. Die Dosen oben sind mit Vorsicht zu genießen, da schwer kranke oder alte Patienten eine deutliche Dosisreduktion oder überhaupt Vermeidung von Propofol benötigen. Ich hatte schon einige ältere kritisch kranke Menschen auf der Intensivstation, deren Agitation bzw. Angst mit gerade einmal 20 mg Propofol durchbrochen werden konnte, sodass sie sich in einem sediertem Stadium mit Eupnoe befunden haben. Hätte ich mich an die Fachinformation gehalten wäre eine Apnoe garantiert gewesen. Deshalb ist die jahrelange klinische Erfahrung mit Medikamenten so unglaublich wichtig.

Als positive Wirkungen sind der angenehme Schlaf, das elegante Aufwachen und Bronchodilatation zu nennen. Der Hirndruck wird effektiv gesenkt. Die Pharyngolaryngealreflexe werden stark unterdrückt, weshalb Propofol ideal zur Insertion einer Larynxmaske ist. Auch beim Laryngospasmus ist eine subhypnotische Dosis effektiv und hat ihn in meiner klinischen Erfahrung bisher immer durchbrochen. Für die Patienten ist insbesondere der Injektionsschmerz unangenehm, weshalb ich bei Erstgabe stets Lidocain mitmische (40 mg Lidocain ad 20 ml Propofol). Als drastische Komplikation ist das PRIS möglich.

Und wie sieht das mit der Soja-Allergie aus? Laut dem Hersteller ist Propofol bei Soja-Allergie kontraindiziert, da es in Sojabohnenöl emulgiert ist. Gemäß der US-Akademie für Allergisches Asthma und Immunologie (AAAAI) und Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) reagieren Menschen mit Sojaallergie gegen Proteine, nicht Fettsäuren. Deshalb gibt es keinen Grund, Propofol bei Menschen mit Sojaallergie zu vermeiden. Zum selben Schluss kommen 2 Arbeiten (Link, Link). Also wieder ein hartnäckiger Bullshit, der sich in den Köpfen der Leute festgesetzt hat. Wie auch Buscopan bei Nierenkolik oder O2 bei COPD.

Zusammenfassend ist Propofol das beliebteste Hypnotikum weltweit. Seine exzellente Steuerbarkeit sowie der angenehme Schlaf erklären dies. Es bestehen zahlreiche Indikationen für dieses Medikament, der korrekte Umgang damit erfordert aber jahrelange klinische Erfahrung.


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