PONV

Was ist das und warum interessiert uns das?

PONV ist die Abkürzung für “postoperative nausea and vomiting” – also postoperativ Übelkeit und Erbrechen. Grundsätzlich kann sich jeder etwas darunter vorstellen und tatsächlich handelt es sich um eine der häufigsten Komplikationen nach einer Allgemeinanästhesie. Die Grundlage dieses Artikels ist die PONV-Leitlinie 2020.

Ist PONV gefährlich?

Typische Antwort: “Es kommt darauf an”. Einmaliges Erbrechen wird keine allzu schlimmen Folgen haben, aber heftiges Erbrechen bzw. Brechreiz (Würgen/Pressen) über einen längeren Zeitraum kann tatsächlich schwere Folgen haben. Als negative Folgen sind beispielsweise folgende Komplikationen beschrieben: Wundkomplikationen (Nähte halten nicht), Aspiration, Dehydration, Pneumothorax, Ösophagusruptur und erhöhter Hirndruck. Je nach Patientenzustand und Operation kann PONV daher zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen.

Abseits davon: Als Anästhesisten wollen wir unseren Patienten eine angenehme Narkose machen. PONV ist garantiert nicht angenehm. Daher wollen wir alles tun, um PONV möglichst zu vermeiden.

Was steckt hinter PONV?

Zentrale Mechanismen (Brechzentrum im Gehirn) können Auslöser sein. Faktoren wie Schmerzen, Angst oder eine Manipulation am Gleichgewichtsorgan (Operationen im Bereich der Ohren) können Ursache sein. Hier spielen insbesondere H1-Histamin- und M1-Acetylcholin-Rezeptoren eine Rolle.

Periphere Auslöser beinhalten z.B. Manipulationen im Bereich des Magen-Darm-Traktes, Blut im Magen oder andere Toxine. Hier spielen insbesondere Substanz-P und das Serotonin-System sowie Stimulationen des N. vagus bzw. der Nn. splanchnici eine Rolle (damit der bekannte 5-HT3-Serotonin-Rezeptor).

Zuletzt gibt es noch die direkte Einwirkung von Medikamenten. In der Anästhesie sind hier besonders Opioide wie Fentanyl und Narkosegase relevant. Genaue Mechanismen sind nicht geklärt, aber man geht davon aus, dass PONV über eine Stimulation der Area Postrema im Gehirn entsteht. Abseits der Anästhesie sind insbesondere Chemotherapeutika für ihre emetogene Wirkung bekannt.

Risikofaktoren für PONV

Hier gibt es eine tolle Publikation von Apfel et. al. (1) die ich direkt zitieren möchte. Ich empfehle dieses Paper einfach zu lesen, es ist im Open-Access verfügbar. 

Einige der genannten Faktoren möchte ich herausgreifen, dazu angegeben jeweils die Odds-Ratio für das Auftreten von PONV (je höher desto schlechter):

  • Weibliches Geschlecht OR 2,57
  • PONV oder Reisekrankheit in der Anamnese OR 2,09
  • Nichtraucher OR 1,82
  • Nutzung volatiler Anästhetika OR 1,82
  • Postoperativer Gebrauch von Opioiden OR 1,39

Das Grundrisiko beträgt nach dieser Studie 10%, mit jedem Punkt erhöht sich das Risiko entsprechend auf bis zu 80%. Die Leitlinien empfehlen die Prophylaxe nach dem Score auszurichten, dh 1-2 Punkte im Score haben zur Folge, dass Patienten 2 Substanzen bekommen sollten, ab 3 Punkten sind es dann 3-4 Substanzen und eine totalintravenöse Anästhesie (TIVA). Grundsätzlich führt das praktisch dazu, dass jeder Patient eine PONV-Prophylaxe erhalten soll. Explizit empfiehlt die Leitlinie übrigens den ERAS-Pathway (Early Recovery After Surgery). 

Risikoreduktion

Hier gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen, die man unabhängig von einer Prophylaxe machen kann. Zuallererst kann man die Narkose gänzlich vermeiden, den Punkt also mit einem Regional- oder Neuroaxialanästhesieverfahren operieren. Wenn man schon eine Narkose macht, dann ist die Vermeidung von Lachgas bzw. volatilen Anästhetika sinnvoll. Bezüglich PONV ist daher die TIVA mit Opioid (v.a. Remifentanil) und Propofol das beste Verfahren. Zuletzt sollte man noch Aufmerksamkeit auf die postoperative Schmerztherapie legen, hier sind multimodale opioidsparende Verfahren im Vorteil, zB mittels Paracetamol, Parecoxib, Metamizol oder Esketamin.

Therapieoptionen bei PONV

Uns stehen zahlreiche Substanzklassen bzw. Interventionen zur Verfügung.

  • 5HT3-Antagonisten (Ondansetron etc.)
  • H1-Antagonisten (Antihistaminika, Diphenhydramin etc.)
  • Corticosteroide (Dexamethason etc.)
  • D2-Antagonisten (Droperidol)
  • Propofol
  • NK1-Antagonisten (Aprepitant)
  • Anticholinergika (z.B. Scopolamin)
  • Akupunktur

Und was mache ich jetzt konkret?

Eigentlich ist es wirklich unkompliziert – jeder Patient erhält eine PONV-Prophylaxe. Der APFEL-Score ist dabei ein für Erwachsene super evaluiertes Tool und wird auch von der Leitlinie empfohlen, für Kinder gibt es ein adaptiertes Format. Der Rest ist ganz logisch, wir schießen mehr oder weniger Pfeile aus unserem Köcher ab – die Patienten werden es uns danken!

Quellenverzeichnis:

  1. Apfel CC, Heidrich FM, Jukar-Rao S, Jalota L, Hornuss C, Whelan RP, Zhang K, Cakmakkaya OS. Evidence-based analysis of risk factors for postoperative nausea and vomiting. Br J Anaesth. 2012 Nov;109(5):742-53. doi: 10.1093/bja/aes276. Epub 2012 Oct 3. PMID: 23035051.
  2. Apfel Score Apfel CC, Läärä E, Koivuranta M, Greim CA, Roewer N. A simplified risk score for predicting postoperative nausea and vomiting: conclusions from cross-validations between two centers. Anesthesiology. 1999 Sep;91(3):693-700. doi: 10.1097/00000542-199909000-00022. PMID: 10485781.
  3. PONV Leitlinie Gan TJ, Belani KG, Bergese S, Chung F, Diemunsch P, Habib AS, Jin Z, Kovac AL, Meyer TA, Urman RD, Apfel CC, Ayad S, Beagley L, Candiotti K, Englesakis M, Hedrick TL, Kranke P, Lee S, Lipman D, Minkowitz HS, Morton J, Philip BK. Fourth Consensus Guidelines for the Management of Postoperative Nausea and Vomiting. Anesth Analg. 2020 Aug;131(2):411-448. doi: 10.1213/ANE.0000000000004833. Erratum in: Anesth Analg. 2020 Nov;131(5):e241. PMID: 32467512.

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