Status Epilepticus

Der Status Epilepticus (SE) ist ein medizinischer Notfall, der unmittelbar behandelt werden muss. Die Grundlage dieses Beitrags sind insbesondere die Leitlinie zum SE im Erwachsenenalter der Dt. Gesellschaft für Neurologie (DGN, Link) sowie die Leitlinie der American Epilepsy Society (AES, Link). Zu berücksichtigen ist, dass es mehrere Formen der epileptischen Anfälle gibt (konvulsiv, nicht-konvulsiv, fokal-einfach, fokal-komplex, Absence, …), die allesamt zu einem SE führen können. Der Fokus dieses Beitrags soll der generalisierte konvulsive SE (GCSE) sein.

Ein GCSE liegt vor, wenn ein epileptischer Anfall > 5 Minuten andauert oder ein Patient in einem kurzen Zeitraum immer wieder epileptische Anfälle erleidet, ohne dazwischen das Bewusstsein wiederzuerlangen. Von der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) wurden 2015 zwei Zeitpunkte definiert, nämlich T1 (5 Minuten; ab 5 Minuten liegt ein SE vor) und T2 (30 Minuten; ab 30 Minuten ist definitiv mit bleibenden neurologischen Schäden zu rechnen).

Dies macht deutlich, dass eine zügige und aggressive Therapie des GCSE zu erfolgen hat. Glücklicherweise gibt es ein Stufenschema, welches man in der Praxis sehr gut abarbeiten kann. Wiewohl es viele Möglichkeiten gibt, möchte ich mich hier auf gängige und auch präklinisch verfügbare Medikamente sowie Therapieoptionen beschränken. So werden sich hier weder rectales Diazepam noch i.v. Phenytoin wiederfinden, auch wenn diese Substanzen (in der Vergangenheit) ihre Berechtigung haben bzw. hatten. Ich denke aber, dass niemand von uns wild auf rectale Gaben von Medikamenten ist. Für bekannte Epileptiker gibt es als Notfallmedikation u.a. rectales Diazepam sowie intramuskuläres, intranasales und buccales Midazolam (Link).

Fehlender i.v. / i.o. Zugang

Zunächst ist die Frage zu stellen, ob der Patient einen intravenösen oder intraossären Zugang hat oder nicht. Sollte ein solcher Zugang nicht unmittelbar setzbar sein, so steht uns primär das Benzodiazepin Midazolam intranasal oder intramuskulär zur Verfügung. Empfohlen haben sich in beiden Fällen fixe Dosierungen, nämlich bei 13-40 kg 5 mg und bei > 40 kg 10 mg. Ich persönlich bevorzuge bei Kindern und Erwachsenen die intramuskuläre Gabe ggü. der intransalen Gabe, da diese zügig und verlässlich ist. In dieselbe Kerbe schlagen die obig verlinkten Leitlinien und zwei Arbeiten (Link, Link). Eine Wiederholung der Gabe ist möglich.

Liegender i.v. / i.o. Zugang

Sollte ein i.v. oder i.o. Zugang vorliegen, so wird häufig Lorazepam 0,1 mg/kg (max. 4 mg) als Mittel der Wahl empfohlen (Link), da es laut DGN dafür die beste Datenlage gibt. Eine Wiederholung der Erstdosis ist möglich, wiewohl zu berücksichtigen ist, dass der Wirkeintritt von Lorazepam bis zu 5 Minuten benötigen kann und der Beginn des maximalen antiepileptischen Effekts erst nach 15-30 Minuten eintritt (Link). Bei Nicht-Verfügbarkeit von Lorazepam wird in der Praxis häufig Midazolam mit 0,2 mg/kg (max. 10 mg) verabreicht.

Bei Nicht-Ansprechen auf Benzodiazepine liegt ein etablierter Status Epilepticus vor. In der Praxis setzt sich immer mehr Levetiracetam (LEV) durch, welches zu einer reduzierten Sekretion von exzitatorischen Neurotransmittern durch Hemmung von SV2A (synaptisches Vesikelprotein) und präsynaptischen Calcium-Kanälen führt (Link). Die Dosis beträgt 60 mg/kg (max. 4,5 g). Relevante Nebenwirkungen sind akut nicht zu erwarten. Effektive Alternativen sind u.a. Valproat, Lacosamid oder (Fos)Phenytoin.

Sollte der GCSE noch immer nicht durchbrochen sein, so handelt es sich um einen refraktären Anfall, welcher nun häufig die Gabe des Anästhetikums Propofol erfordert. Zwar sind i.v. Midazolam oder i.v. Thiopental Alternativen, jedoch ist Ersteres fragwürdig (da der Anfall ja auf Benzodiazepine bereits refraktär ist) und Zweiteres häufig gar nicht verfügbar (bzw. fehlt vielen Anästhesisten die Erfahrung mit diesem Medikament, da Thiopental de facto durch Propofol aus dem klinischen Alltag verdrängt worden ist). Spätestens mit Gabe von Propofol besteht ein sehr hohes Risiko für Atemstillstand. Die einen geben fraktioniert kleine Boli (0,5 mg i.v.) in der Hoffnung, dass der Anfall doch noch aufhört, andere wiederrum entscheiden sich zur Einleitung einer Narkose (siehe Notfallnarkose).

Für die weitere kontinuierliche Propofolgabe auf der Intensivstation nachteilig ist insbesondere bei Kindern das Entwickeln eines PRIS (Link), da für das Erreichen eines Burst Suppression Musters im Elektroencephalogramm (EEG) häufig Dosen > 4 mg/kg/h notwendig sind. Dies ist der Grund, wieso häufig intravenöses Midazolam für die weitere antiepileptische Therapie genutzt wird. Eine Kombination der beiden Hypnotika ist selbstverständlich auch möglich. Bei weiterhin bestehendem GCSE wird bei Verfügbarkeit alternativ auf das Barbiturat Thiopental gewechselt.

Bei Scheitern dieser medikamentösen Therapien liegt ein suprarefraktärer GSCE vor. In diesem Zusammenhang gibt es vereinzelt Hinweise, dass Inhalationsanästhetika (Iso-, Sevofluran; Link, Link) oder Esketamin (Link, Link, Link, Link). Bei beiden Substanzen handelt es sich unter anderem um NMDA-Rezeptor-Antagonisten. Dies ist relevant, denn bei prolongierten Anfällen kommt es zur Down-Regulation von GABA-Rezeptoren und Up-Regulation von NMDA-Rezeptoren (Link, Link, Link). Auch Propofol ist ein NMDA-Rezeptorblocker und dies ist einer der Gründe, wieso es auf Stufe 3 gelistet ist.

Ultima Ratio Optionen sind laut DGN u.a. die Epilepsiechirurgie oder elektrokonvulsive Therapie. Beachte, dass auch einfach zu behandelnde Ursachen für epileptische Anfälle zu suchen sind, z.B. HypoNa, Hypoglycämie oder Intoxikation mit diversen Substanzen!

Zusammenfassend ist der GCSE ein medizinischer Notfall, der sofort und aggressiv zu behandeln ist.


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