Vorbereitung ist alles

Ich möchte euch von einem rezenten Atemwegsfall aus dem Saal berichten. Zur OP (laparoskopische Nephrektomie) kam ein ca. 60 jähriger Herr ohne relevante Vorerkrankungen. Anamnestisch zu erheben waren eine Appendektomie als Kind sowie eine Sedierung für Gastro/Colo. Der Atemweg imponierte klinisch unauffällig.

Einführung

Jegliche Narkoseeinleitung stellt eine maximale und hochinvasive Risikomaßnahme dar, da mit Einsetzen der Apnoe eine Ventilation artifiziell erfolgen muss. Dies kann eine reine Maskenbeatmung bei Kurzeingriffen beinhalten, aber auch z.B. das Einführen einer Larynxmaske oder eines Endotrachealtubus. Sollten hier Komplikationen auftreten und eine Oxygenierung frustran verlaufen, so kann dies im schlimmsten Fall zum Tod des Patienten durch Asphyxie führen. Zwei relevante Arbeiten mit > 1 Million Patienten (Link, Link) konnten nachweisen, dass wir den unerwartet schwierigen Atemweg mit unseren Tests (z.B. Patil, Mallampati, Upper Lip Bite etc) nur in einer Minorität der Fälle erkennen. Den erwartet schwierigen Atemweg erkennen wir gut, aber es wäre ja auch wichtig, dass wir Patienten verlässlich herausfischen können, die auf den ersten Blick einen vermeintlich leichten Airway haben, durch fundiertere Tests aber dann als schwieriger Atemweg identifiziert werden (somit das Erkennen des unerwartet schwierigen Atemwegs). Diese Daten sind mit ein Grund, wieso die Narkoseeinleitung ausschließlich durch oder in Gegenwart eines Atemwegsexperten erfolgen darf. Dies gilt ganz besonders auch prähospital, siehe hier. Es gibt keine einfachen Intubationen oder einfachen Atemwege.

Narkoseeinleitung und Airwaymanagement

Nach Verabreichung von Fentanyl, Esketamin, Propofol, Rocuronium und Akrinor führte mein Anästhesiepfleger eine problemlose Maskenbeatmung durch. Ca. 2 Minuten später führte ich ein konventionelles Laryngoskop mit Spatel 4 (Größe des Patienten 187 cm) ein, konnte es aber nur bis zum Pharynx vorschieben. Deshalb brach ich den Versuch ab und ließ mir das McGrath Videolaryngoskop (VL) geben. Mit Spatel 4 konnte ich lediglich einen Cormack-Lehane 2b-3 darstellen – ich versuchte, die Trachea mittels vorgebogenem S-Guide (Bougie) zu intubieren, was mir aber aufgrund der anterior stehenden Trachea sowie OELM (Optimal External Laryngeal Manoeuvre) nicht gelang. Der Einführwinkel war stets Richtung Ösophagus. Ich brach den Versuch ab und führte eine Zwischenbeatmung durch.

S-Guide (Link)

Nach Tausch der Polster unter dem Kopf erfolgte ein zweiter Versucht mit McGrath Spatel 4, ich war aber erneut mit demselben Problem konfrontiert. Ich brach den Versuch ab, vertiefte den Patienten mit Propofol und rief eine anästhesiologische Oberärztin zu Hilfe, während der Anästhesiepfleger die Beutel-Masken-Beatmung (BMV) durchführte.

Sie entschied sich nun für den Mc Grath VL X-Blade Spatel 4 und konnte immerhin einen CL 2a darstellen – doch auch ihr gelang es nicht S-Guide oder Tubus in die Trachea einzuführen; stets führte der Einführwinkel Richtung Speiseröhre. Sie brach nun diesen insgesamt dritten Intubationsversuch ab und verlangte nach der Larynxmaske (FastTrach) Größe 5, während erneut zwischenbeatmet wurde.

Die LM konnte nicht eingeführt werden, da die Mundhöhle zu klein war. Erneut wurde mittels Propofol vertieft und zwischenbeatmet. Eine hergerichtete FastTrach Größe 4 konnte nun erfolgreich platziert werden und wir beatmeten den Patienten darüber. Ein klar kommunizierter letzter Intubationsversuch über die LM FastTrach misslang, da die Glottis so hochanterior lag. Im Team entschieden wir uns daher zum Abbruch der Operation, da diese nur in Intubationsnarkose durchzuführen gewesen wäre und wir den Atemweg nicht weiter mit Intubationsversuchen traumatisieren wollten. Ich antagonisierte mittels Naloxon, Flumazenil (orale Prämedikation mit Midazolam) und Sugammadex. Dexamethason wurde zur abschwellenden Wirkung verabreicht.

Verlauf

Insgesamt war der Patient zu jeder Zeit cardiorespiratorisch stabil; die Ventilation inkl. Oxygenierung war durch die BMV bzw. später LM sichergestellt. Ca. 10 Minuten später erwachte der Patient und wurde 1h später im Aufwachzimmer bei vollem Bewusstsein über die Situation aufgeklärt. Ein Anästhesiepass wurde meinerseits ausgestellt und der Patient darüber aufgeklärt, dass in Zukunft eine fiberoptische Wachintubation durchgeführt werden muss.

Wichtig ist, dass man immer einen Plan verfolgt. Ich habe euch die ASA bzw. DAS Algorithmen unten eingefügt. An meiner Abteilung verfolgen wir ein 2+1 Schema pro Device, d.h. spätestens der dritte und letzte Versuch eines Devices muss durch einen Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin erfolgen.

Fazit

Dieser Fall zeigt eindrucksvoll, dass Narkoseeinleitung und Atemwegsmanagement hochkomplex sind und in die Hände von Experten gehören, die regelmäßig im OP stehen, verschiedene Devices beüben und diese so auch sicher und kompetent in kritischen Situationen anwenden können. Immerhin nehmen wir dem Patienten die Eigenatmung komplett weg und müssen für ihn Luft hinein und hinaus bekommen. Egoaktionen, der 10. Atemwegssicherungsversuch oder krampfhaftes Festhalten an „der Patient muss intubiert werden“ führen zu ernsthaften Schäden und sind daher zu unterlassen. Im elektiven Setting besteht immer die Möglichkeit des Aufwachenlassens eines Patienten. Im Notfall ist natürlich eine Vorwärtsstrategie zu verfolgen, welche in der Koniotomie enden wird. Simulationstrainings, CRM und das Verfolgen eines genauen Plans sind entscheidende Komponenten für Erfolg.


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2 Antworten zu „Vorbereitung ist alles“

  1. Avatar von Rebecca
    Rebecca

    Damit will man nachts nicht allein da stehen…
    Da die Maskenbeatmung scheinbar problemlos funktionierte, warum hat man sich nicht als ultima ratio für die fiberoptik entschieden?

    1. Avatar von anaestheasy

      Hey Rebecca, wurde meinerseits der Oberärztin vorgeschlagen, aber aufgrund der Sorge den Airway noch weiter zu traumatisieren und ihn dann durch Zuschwellen endgültig zu verlieren durch sie abgelehnt.

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