Heute geht es um das Narkoseopioid meiner Wahl. Kein anderes Opioid vereint maximale Patientensicherheit und exzellente Steuerbarkeit so gut wie Remifentanil. Die kontextsensitive Halbwertszeit (Link) beträgt ca. 3 Minuten unabhängig von der Dauer der Gabe, der Abbau erfolgt durch unspezifische Esterasen im Blut. Dies macht Remifentanil besonders interessant bei langen Operationen, bei Patienten die zügig aufwachen müssen und bei Risikopatienten (z.B. morbide Adipositas, HNO-OPs), da ein postoperativer Überhang unüblich ist. Unter den Hypnotika gibt es eine ähnliche Substanz: Remimazolam.
Indikationen
Indikationen sind Analgosedierung (z.B. fiberoptische Intubation, Intensivstation) sowie die Einleitung (0,5-1 mcg/kg langsam i.v., siehe Hersteller) und Aufrechterhaltung einer Narkose. Remifentanil bietet sich insbesondere bei sehr langen Operationen an; klassischerweise erfolgt die Narkoseeinleitung dann mit Fentanyl, Alfentanil oder Sufentanil, die Aufrechterhaltung ist dann mittels Remifentanil (0,1-0,5 mcg/kg/min i.v., je nach Schmerzintensität), wiewohl auch mittels Remifentanil eingeleitet werden kann. Die Potenz ist bis zu 200x stärker als Morphin, die Dosierung erfolgt anhand des Idealgewichts. Klassische Nebenwirkungen könnt ihr dem Beitrag über Fentanyl entnehmen, besonders erwähnenswert sind aber die Thoraxrigidität bei zu schneller Injektion, Blutdruck- und Frequenzabfall sowie die Induktion einer Hyperalgesie, auf die wir noch zu sprechen kommen werden.
Remifentanil ist weiters auch im Rahmen einer Notfallnarkose geeignet (Link, Link) und in der Tat auch bei der Einleitung von Patienten mit Präeklampsie empfohlen (Link, Link). Das rasche Anfluten mit Erreichen des Peakeffekts bereits innerhalb von weniger als 1 Minute, die potente Unterdrückung der hypertensiven Antwort auf die Laryngoskopie und auch die kurze Wirkdauer (ideal für das Neugeborene) begründen die Rationale. Die Organfunktion von neugeborenen Kindern ist noch unreif – doch gerade das ist für Remifentanil egal, da es organunabhängig durch unspezifische Esterasen abgebaut wird, die beim Neugeborenen genauso effektiv arbeiten wie beim Erwachsenen (Link). Ebenso wird es von der DGAI als Alternative bei Unmöglichkeit der epiduralen Analgesie zur schmerzarmen Geburt gelistet (Link). Die Schwangere appliziert sich dabei Remifentanil i.v. aus einem Perfusor nach Bedarf, notwendig ist jedoch eine kontinuierliche Überwachung.
Besonderheiten
Aufgrund der ultrakurzen Wirkdauer ist auf jeden Fall auf eine potente Analgesie nach Beendigung der Remifentanil-Infusion zu achten. Klinisch bewährt hat sich hierzulande das Opioid Piritramid, welches ca. 15-30 Minuten vor Beendigung der Remifentanil-Gabe injiziert wird. Intraoperativ achte ich grundsätzlich auf eine potente multimodale Schmerztherapie, die bereits frühzeitig aggressiv etabliert wird. Zu meinen bevorzugt verwendeten Substanzen gehören Dexamethason, Paracetamol, NSAR wie zB Parecoxib, Metamizol und natürlich Esketamin. In der Tat konnte gezeigt werden, dass viele dieser Substanzen die Entwicklung einer Hyperalgesie durch Remifentanil unterdrücken (hier). Impliziert wird unter anderem eine Hochregulation von NMDA-Rezeptoren sowie Freisetzung von Prostaglandinen (siehe diese tolle Übersichtsarbeit bzw. hier, hier, hier). Auch für Dexmedetomidin gibt es bereits vielversprechende Daten.
Es gibt Hinweise, dass die „raschere“ Injektion von Remifentanil bei RSI den Onset von Rocuronium verzögert. Dies ist jedoch nicht durch eine pharmakologische Interaktion zu begründen, sondern durch Reduktion des Herzzeitvolumens und somit langsamere Verteilung bedingt (hier). Aus diesem Grund verabreiche ich Remifentanil bei einer RSI erst nach Rocuronium und achte sowohl im Notfall als auch elektiven Bereich auf eine hämodynamisch neutrale Einleitung (z.B. via Akrinor, Phenylephrin oder Noradrenalin).
Abspann
Zusammenfassend ist Remifentanil mein bevorzugtes Opioid im Operationssaal sowie auf der Intensivstation. Da das Medikament kontinuierlich zugeführt und auch rasch abgebaut wird, ist es mir möglich, zügig auf intraoperative Ereignisse zu reagieren und Remifentanil entsprechend dem derzeitig notwendigen Bedarf zu dosieren. Auch bei unerwartet eintretenden Ereignissen (z.B. plötzlicher OP-Abbruch) brauche ich mir keine Sorgen um eine verlängerte Ausleitung mit etwaiger Antagonisierung mittels Nalbuphin machen, da ich den Perfusor einfach abdrehen kann und weiß, dass ich den Patienten in der nächsten Viertelstunde extubiert habe. Fentanyl wende ich primär präklinisch bzw. bei Punkten < 2h an, Alfentanil wiederum bei OPs mit einer Dauer von 20-30 Minuten. Jedem Anästhesisten bleibt es letztlich selbst überlassen, für sich einen Weg zu finden – denn bekanntlich führen verschiedene Wege ans gleiche Ziel: dass unsere Patienten sicher durch die Operation geführt werden und postoperativ weder Schmerzen noch PONV haben.
Remifentanil ist mein Narkoseopioid der Wahl, und das wird sich so schnell nicht ändern. Einfach ein geiles Medikament!

Schreibe einen Kommentar