Etomidat

Etomidat ist ein Hypnotikum, das an GABA-Rezeptoren agonistisch wirkt. Es weist keine schmerzstillenden Eigenschaften auf. Die Wirkdauer beträgt ~ 5 Minuten. Seine primäre Anwendung findet es bei der Narkoseeinleitung von kritisch kranken Patienten (0,2-0,3 mg/kg i.v.), da der Blutdruck stabil bleibt und der myocardiale O2-Verbrauch nicht erhöht wird. Dies sind grundsätzlich sehr vorteilhafte Merkmale. Dennoch findet Etomidat in der Anästhesie und Intensivmedizin keine routinemäßige Anwendung, da es reichlich Kontroversen bezüglich etwaiger – zurzeit noch nicht eindeutig belegter – negativer Effekte auf die Mortalität von kritisch kranken Patienten (seinem eigentlichen Einsatzgebiet) gibt (Link, Link). Diese sind durch Eingriff in die Cortisolsynthese bedingt, wodurch die Blutspiegel des dringend benötigten Stresshormons reduziert werden. Die ist insbesondere nach Dauerinfusion von Etomidat relevant, weshalb heutzutage lediglich eine Einzelgabe üblich ist.

Ich persönlich wende Etomidat primär zur elektiven Narkoseeinleitung von schwer kranken Patienten an, die eine (relative) Kontraindikation für Esketamin besitzen (zB signifikante KHK, schwere Vitien oder schwere Herzinsuffizienz), siehe z.B. Link oder Link. Eine weitere „Einleitungsgruppe“ sind sehr alte Patienten (> 75J), die sich einer OP mit einer Dauer von maximal einer Stunde (z.B. Gamma-Nagel in Vollnarkose) unterziehehen – bei diesen Patientengruppen habe ich die Erfahrung gemacht, dass eine Esketamin-Einleitung zu im Aufwachraum ein prolongiertes Koma bedingt, was natürlich die Rekonvaleszenz verlängert. Auch Midazolam ist hierbei keine geeignete Alternative, da es bei Patienten > 65J mit Delir assoziiert ist und paradoxe Reaktionen bis hin zum ebenfalls prolongierte Koma folgen können.

Wichtige Nebenwirkungen sind exzitatorische Effekte (Myoklonus, Dystonien, Trismus) und (in hohen Dosen) Atemdepression. Die exzitatorischen Effekte können eine effektive Beutel-Masken-Beatmung verhindern bzw zu Dislokation von EKG-Elektroden oder intravasalen Zugängen führen. Dies ist natürlich äußerst unangenehm. Ich unterdrücke diese Phänomene durch vorherige Gabe eines Opioids wie Fentanyl (0,15- 0,2 mg i.v.) und niedrigdosiertem Propofol (30 mg i.v.). Als weitere wichtige NW seien epileptische Anfälle genannt, weshalb Etomidat u.a. bei Elektrokrampftherapie durch Triggerung epileptogener Herde seine Anwendung findet.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Etomidat grundsätzlich ein kreislaufstabiles Hypnotikum ist, was bei Risikopatienten sicherlich von Vorteil ist. Die unklare, noch nicht eindeutig belegte negative Wirkung auf die Mortalität hat dazu geführt, dass Etomidat europaweit derzeit keine Routineanwendung in der Anästhesie und Intensivmedizin erfährt. Eine rezente Arbeit stellt eine erhöhte intrahospitale Mortalität vgl. zu Ketamin in den Raum, wenn Etomidat zur Narkoseeinleitung von kritisch kranken Patienten genutzt wird (Link). Auch in dieser Übersichtsarbeit wird Stellung bezogen, dass bei der Notfallnarkose von kritisch kranken Patienten eher Esketamin der Vorzug zu geben ist. Die RSI-Leitlinie (Link) der Society of Critical Care Medicine listet Etomidat weiterhin als ebenbürtige Option. Eine rezente Arbeitsgruppe fordert überhaupt die Abkehr von Etomidat (Link).


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