Wie mache ich eine Allgemeinanästhesie?

Grundsätzlich bezieht sich dieser Post auf die Einleitung einer Allgemeinanästhesie in einem geplanten Setting bei Patienten ohne wesentliche Risikofaktoren. Ein ganz wesentlicher Teil im Alltag als Anästhesist ist es, Patienten gut zu evaluieren und potentielle Probleme vorweg zu erkennen. Für diesen Post gehen wir daher davon aus, dass der Patient völlig gesund ist.

Welche Ziele wollen wir erreichen?

Die Allgemeinanästhesie (“Vollnarkose”) ist ein reversibler Zustand, bei dem Bewusstsein, Schmerzempfinden und Muskeltonus vollständig ausgeschaltet werden. Dieser Zustand ist relativ einfach herzustellen (Stichwort Holzhammernarkose), jedoch geht unser Anspruch in der heutigen Zeit deutlich weiter. Ziel ist nämlich, den Zustand der Allgemeinanästhesie auf schnelle, sichere und für den Patienten angenehme Weise zu erreichen und in weiterer Folge auch den Chirurgen optimale Arbeitsbedingungen zu bieten. Damit kann letztlich die Operations- und Narkosezeit auf das notwendigste Maß beschränkt werden, was wiederum gut für Patientenoutcome, Kosten und Umwelt ist. 

Vor der Einleitung

Grundsätzlich beginnt die Arbeit schon bevor wir unseren Patienten sehen. Wir machen uns Gedanken über die Art der Operation, die geplante Dauer und weitere Besonderheiten, die es vielleicht so geben könnte. Damit wissen wir, welche Medikamente für die Einleitung vorzubereiten sind und ob bestimmte besondere Werkzeuge erforderlich sein könnten (zum Beispiel das Videolaryngoskop). Im OP Saal angekommen, begrüßen wir unsere Anästhesiepflege und sprechen uns kurz ab. Anästhesie ist absolute Teamarbeit, daher muss jeder auf demselben Informationsstand sein, dies inkludiert unseren Plan A und Ausweichoptionen.

Als nächstes werfen wir einen Blick auf die Narkosemaschine: Typischerweise gibt es tägliche Maschinentests, die von der Anästhesiepflege vorgenommen werden, dennoch ist zusätzlich vor jeder Einleitung ein kurzer Check erforderlich. Dabei achten wir besonders auf Vollständigkeit der Schläuche, Atemkalk, Gasversorgung und unser Backup (zumindest ein einfacher Beatmungsbeutel). 

Nun kommt der Patient in den OP-Saal. Das Erfragen der richtigen Informationen ist essenziell:

  • Name, Geburtsdatum und die geplante Operation bzw. Operationsseite
  • Allergien
  • Letzte feste und flüssige Nahrungsaufnahme (Nüchternheitsprinzip)
  • Atemwegsbeurteilung
  • morgendliche Medikation
  • derzeitiges Wohlbefinden
  • bisheriges Vertragen von Narkosen
  • Überprüfung der anästhesiologischen und chirurgischen Reverse

Monitoring, Lagerung

Nun beginnt die Arbeit am Patienten: Unser Basismonitoring wird angelegt (EKG, SpO2, RR-Messung), wenn die endotracheale Intubation geplant wird, gehört auch die Relaxometrie dazu. In der Regel haben die Patienten bereits einen liegenden intravenösen Zugang, diesen muss man überprüfen und gegebenenfalls weitere etablieren. Für unseren Routineeingriff reicht ein sicher laufender grüner Zugang.

Bei der Lagerung muss der Kopf des Patienten gut erreichbar sein und diese in der sogenannten “verbesserten Jackson-Position” erfolgen (Schnüffelstellung, Kopf ca 10 cm erhöht mit Kissen unterpolstert). Dies ermöglicht einen direkten Blick auf die Larynxebene. In unserem Beitrag über die Notfallnarkose gibt es einen weiterführenden Link, welcher dies mit Bildern veranschaulicht.

Präoxygenierung

Die Präoxygenierung ist eine essentielle Maßnahme und darf auch nicht im Notfall fehlen. Genauer gesagt handelt es sich um eine Denitrogenisierung, da der Stickstoff in der Lunge durch Sauerstoff ersetzt wird (Raumluft: 21% O2, 78% N2). Die Präoxygenierung dient auch als letzter Gerätetest, am Monitor des Narkosegerätes sollte man eine Kapnographie-Kurve und das etCO2 sehen, außerdem die Werte für die inspiratorische und exspiratorische O2-Konzentration (FiO2 und FeO2). Wir präoxygenieren mindestens 3 Minuten oder besser noch: bis die FeO2 >90% beträgt. Ein Sonderfall ist die apnoeische Oxygenierung bei Risikopatienten.

Einleitungsmedikamente

Jetzt beginnen wir mit der Narkoseeinleitung. Dafür haben wir uns in diesem fiktiven Fall vorbereitet:

Außerdem haben wir einen Vasopressor (zB Phenylephrin) und ein Vagolytikum (Atropin) bereitliegen. Zusätzlich wird häufig ein Antibiotikum gefordert, welches präoperativ verabreicht werden soll.

Opioid – Analgetikum

In der Regel wird zuerst das Opioid verabreicht. Dies liegt daran, dass gängige Opioide wie Fentanyl mindestens 3 Minuten bis zum Eintritt der maximalen Wirkung benötigen. Die Laryngoskopie, ein äußerst schmerzhafter Reiz, sollte erst nach Ablauf dieser Zeit erfolgen, damit das Opioid die Kreislaufeffekte der sympathikotonen Gegenregulation unterbindet. Als Dosis wählen wir für diesen Patienten 0,25 mg Fentanyl intravenös. Durch seine hohe Lipophilität sind erste Wirkungen bereits innerhalb weniger Sekunden bemerkbar, die Patienten berichten Schwindel, Rauschgefühl oder husten kurz.

Hypnotikum

Das Hypnotikum dient dem Erreichen des „Schlafzustandes“. Heutzutage wird üblicherweise Propofol verwendet. Der richtige Umgang erfordert aufgrund seiner geringen therapeutischen Breite sehr viel klinische Erfahrung. Wir entscheiden uns für 200 mg Propofol. Dabei achten wir auf eine engmaschige Blutdruckkontrolle (alle 3 Minuten), um eine Hypotonie sofort mittels Vasopressor behandeln zu können. Bei Patienten mit entsprechendem Risikoprofil oder eher niedrigem Blutdruck vor Einleitung empfiehlt sich bereits gleichzeitige Gabe eines kreislaufwirksamen Medikaments nach Injektion von Propofol.

Eine klinisch bedeutsame Nebenwirkung ist der Injektionsschmerz, der zu Wegziehen des Armes führen kann. Deshalb kann man in die Propofolspritze noch 40 mg 2% Lidocain (Lokalanästhethikum; Na-Kanalblocker) beimischen, um dies zu unterdrücken. Die Wirkung von Propofol sieht man den Patienten insbesondere an den Augen an, hier bemerkt man sehr oft schwimmende Bulbi oder flackernde Lider, während der Bewusstseinsverlust beginnt. Der Ausfall des Lidreflexes ist ein Zeichen für die komplette Wirkung des Hypnotikums.

Maskenbeatmung

Grundsätzlich sollte bei jeder Routineeinleitung eine Maskenbeatmung erfolgen. Es ist von äußerster Wichtigkeit sicherzustellen, dass man einen Patienten mittels Beutel-Maske beatmen kann. Die Meinung, man dürfe Patienten erst dann relaxieren, wenn man sie gut beatmen kann, ist veraltet. Laut S1 Leitlinie Atemwegsmanagement der DGAI kann direkt nach Erreichen einer adäquaten Narkosetiefe das Muskelrelaxans verabreicht werden, wenn es keine Anzeichen für einen schwierigen Atemweg gibt (denn dieser sollte ja immer über Wachintubation gesichert werden!). In der Regel ist die Maskenbeatmung nach Verabreichung des Relaxans auch deutlich einfacher als zuvor. Auch dieser Punkt ist ein Beispiel dafür, wie wichtig eine gute präoperative Untersuchung der Patienten ist!

Muskelrelaxans und Intubation

Wir nehmen die Maske nun dichter und verabreichen Rocuronium. Die Nebenwirkungen sind überschaubar (stabiler Kreislauf, keine Histaminausschüttung) und es ist insbesondere aufgrund der Reversierbarkeit mit Sugammadex in sehr vielen Krankenhäusern zum Standardrelaxans geworden. Mit der doppelten ED95 als üblicher Einleitungsdosis (0,6 mg/kg Idealgewicht) erreichen wir nach etwa 1,5-3 Minuten optimale Intubationsbedingungen. Wir stellen fest, dass die Maskenbeatmung problemlos durchführbar ist und reden wieder weiter über den letzten Urlaub. Ok nein, das machen wir nie bei Narkoseeinleitungen. Mittels Relaxometrie ermitteln wir den optimalen Zeitpunkt zur Durchführung der Laryngoskopie und trachealen Intubation (Train of Four: 0). Die weitgestellte Stimmritze ermöglicht ein vorsichtiges Vorschieben des Trachealtubus (Frau: ~ 7,5 mm ID, Mann: ~ 8 mm ID). Traumatische Intubation (Stochern) können rasch zu ausgeprägten Schwellungen der Glottis inkl. Blutungen führen (Maskenbeatmung kann dann ineffektiv werden!) sowie lang andauernde schwerwiegende Komplikationen auslösen (Heiserkeit, Granulome, etc.). 

Nachdem der Tubus unter Sicht platziert wurde, erfolgt die Lagekontrolle durch beidseitige Auskultation und die Kapnographie. Nachdem wir uns vergewissert haben das die Intubation passt wird der Tubus fixiert. Die Tubustiefe ermittelt man am besten mit Tubusgröße (ID) x 3, in unserem Fall also 24 cm Zahnreihe, wiewohl die Platzierung unter Sicht erfolgen sollte (Glottis zwischen den beiden schwarzen Linien am distalen Ende des Tubus).

Narkosemaschine und Freigabe

Nun folgt die Einstellung des Beatmungsgerätes. Die Beatmung erfolgt lungenprotektiv mit Tidalvolumen 6-8 ml/kg Idealgewicht, PEEP 5 cm H2O und Normokapnie (etCO2 30-35 mmHg, Kapnographie und -metrie). Im Falle unserer balancierten Anästhesie erfolgt nun die langsame Beimischung des Narkosegases Sevofluran auf einen MAC-Wert von 0,9. Ein zu schnelles Anfluten kann zu ausgeprägter Hypotonie führen. Sofern keine weiteren Maßnahmen anstehen (z.B. weiterer i.v.-Zugang), wird der Patient für die Lagerung und Operation freigegeben.

Quellen:

  1. ÖGARI Empfehlungen für das Monitoring von Patienten und die personelle Ausstattung von Fachabteilungen für Anästhesiologie und Intensivmedizin
  2. DGAI Leitlinie Atemwegsmanagement – Airwaymangement, AWMF 001/028 

Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.