Push-Dose Pressoren

Uff… Blutdruck klein, Spritze rein? Kann’s so einfach sein? Klare Antwort: Es kommt drauf an. Natürlich scheint das Thema sehr einfach und logisch zu sein. Auf Blutdruckabfall reagieren wir oft mit einem Vasopressor als i.v. Bolus. Jeder macht das bisschen anders, deswegen wollen wir hier mal am aktuellen Evidenzstand anstreifen und einen kleinen Überblick über dieses sehr breite Thema geben. Unseren Beitrag über Hämodynamik findet ihr hier.

Hypotonie – Was ist das?

Wichtig für das Grundverständnis ist, dass wir bei unseren Therapiegrenzen auf den individuellen Patienten eingehen müssen – dazu sollten wir den „normalen“ Blutdruck und Vorerkrankungen (insbesondere des Herzens) kennen. Je schwerer ein Patient vorerkrankt ist, desto wichtiger ist die Aufrechterhaltung des „Normal“- oder „Alltags“- Blutdrucks. Es gibt zahlreiche Publikationen zu diesem Thema aber keinen Konsens. Für die meisten Patienten gilt, dass der MAP über 65 mmHg gehalten werden bzw. der RRsys nicht mehr als 20% vom „Normalblutdruck“ abweichen sollte. Übrigens geht’s hier nur um Erwachsene, auf Kinder ist das nicht übertragbar.

Vasopressor – Was ist das?

Jetzt geht es zum eigentlichen Thema und wir schauen mal in die Schublade des Anästhesiewagens. Dort werden wir in der Regel Phenylephrin, Etilefrin, Ephedrin und vielleicht auch Akrinor vorfinden. In der Nähe gibt es sicher auch Katecholamine, also regelhaft Adrenalin, Noradrenalin und Dobutamin. Diese ganzen Pharmaka können wieder Bücher füllen und hier geht’s jetzt nur um die „Push-Dose“ – also den i.v. Bolus. Bei diesem Post soll es mal um häufige und sinnvolle Substanzen gehen, Perfusoren und Dauertherapie sind explizit ausgenommen. Also – was gibt’s da?

  • Phenylephrin (Neosynephrine®)
  • Etilefrin (Effortil®)
  • Ephedrin 
  • Theodrenalin/Cafedrin 1:20 (Akrinor®)
  • Supra-Blitz (Adrenalin) könnt ihr im Anaphylaxie-Beitrag nachlesen.

Phenylephrin – Neosynephrine®

Bei unserem „Neo“ handelt es sich um einen reinen α1-Agonisten. Es kann als „Noradrenalin light“ angesehen werden. Die übliche Dosis beträgt 50-200 mcg i.v., eine Dauergabe mittels Perfusor (z.B. Sectio als 1. Wahl) ist möglich. Die Wirkdauer beträgt ca. 10-20 Minuten. Die Steigerung des Blutdrucks erfolgt über arterielle und venöse Vasokonstriktion. Dies hat unter Umständen eine reflektorische Bradykardie zur Folge (RR-Anstieg -> Stimulation der Barorezeptoren im Sinus Caroticus und Aorticus -> Info an Medulla Oblongata -> Hemmung Sympathikus, Aktivierung Parasympathikus).

Die Kombination aus erhöhtem diastolischem Blutdruck und Abnahme der Herzfrequenz ist besonders bei tachycarden Patienten (z.B. Sepsis) oder KHK günstig, da der linke Ventrikel v.a. in der Diastole perfundiert wird und der diastolische Blutdruck eine zentralen Stellenwert einnimmt (coronary perfusion pressure = Paorta – LVEDP). Diesen Effekt kann man sich aus bei hämodynamisch instabilen Tachyarrhythmien zu Nutze machen, während man die elektrische Cardioversion vorbereitet (SHIT). Die fehlende direkt positiv inotrope Wirkung macht Phenylephrin zum Vasopressor der Wahl bei Patienten mit dynamischen systolischen Obstruktionen (z.B. Aortenklappenstenose, HOCM, Tako-Tsubo). Bei symptomatischer Herzinsuffizienz ist Phenylephrin keine gute Wahl, da die Kombination aus erhöhter Vor- und Nachlast zu einer endgültigen Dekompensation führen kann.

Etilefrin – Effortil®

Etilefrin ist „Adrenalin light“ und somit ein α1- und ß1-Mimetikum, neben Blutdruckanstieg kommt es auch zu einer Steigerung der Herzfrequenz (positiv chronotrope und inotrope Wirkung). Bei dieser Substanz ist ein reflektorischer Abfall der Herzfrequenz also kein Thema. Die Wirkdauer beträgt ca. 20 Minuten, wobei die ß-mimetische Wirkung tendenziell länger andauert. Etilefrin ist in einer Konzentration von 10 mg/ml (1 ml-Ampullen) am Markt. Üblich ist eine Verdünnung auf 10 ml, die typische Bolusgabe sind hier 1-2 mg (1-2 ml). 

Ephedrin

Ephedrin ist pharmakodynamisch mal etwas anderes. Die Wirkung erfolgt hier hauptsächlich indirekt durch vermehrte Freisetzung des körpereigenen Noradrenalins („Entleerung der Speicher“), direkt agonistische Wirkmuster sind auch beschrieben (α,ß ). Hier gibt es auch gleich eine Falle: Im Körper gibt es nicht unendlich viel Noradrenalin, daher kommt es besonders bei Ephedrin schnell zu einer Tachyphylaxie – irgendwann sind nämlich die körpereigenen Speicher leer und entsprechen bleibt die Wirkung aus (Von nix kommt nix…). Das ist ein Problem bei Schock, denn dort versucht der Körper alles, um den Blutdruck aufrecht zu erhalten, und setzt das körpereigene Noradrenalin frei. Daher wird Ephedrin bei diesen Patienten ungenügend wirken – die Speicher sind leer. Die Wirkdauer ist etwas länger als bei Phenylephrin.

Ephedrin gibt es in Ampullen zu 10 mg/ml und in 10 ml Fertigspritzen mit 3 mg/ml. Übliche Dosierungen liegen bei 10-20 mg pro Einzeldosis. 

Theodrenalin + Cafedrin – Akrinor®

Akrinor ist ein relativ wilder Kombinationsmix aus Theodrenalin (Noradrenalin + Theophyllin) und Cafedrin (Coffein + Norephedrin). Ehrlich: wie kommt man auf diese Idee? Dadurch ergibt sich eine blutdrucksteigernde Wirkung, die primär über Stimulation von β1-Rezeptoren (positive Inotropie) vermittelt wird. Ein relevanter Anstieg des peripheren Gefäßwiderstands durch Stimulation von α1-Rezeptoren (Vasokonstriktion) findet sich laut Hersteller eher nicht. Die 2 ml Ampulle wird mit 8 ml NaCl auf 10 ml verdünnt, üblicherweise gibt man dann 2 ml davon je nach Bedarf.

Klassisches Einsatzgebiet ist die Hypotonie im Rahmen der Narkoseeinleitung bzw -führung. Auch bei Sectio in Spinalanästhesie ist es als Option gelistet. Die Wirkdauer kann bis zu 20 Minuten betragen, die Herzfrequenz verändert sich in der Regel nicht oder ist nur transient steigend. Norephedrin führt zu einer Entleerung präsynaptischer Noradrenalin-Speicher – daraus ergeben sich klinisch relevante Nachteile:

  1. die Tachyphylaxie bei wiederholter Anwendung
  2. eventuell ausbleibende Wirkung bei kritisch kranken Patienten (z.B. prolongierter Schock, Sepsis), da die präsynaptischen Noradrenalin-Speicher leer sind

Take Home Messages

  1. Der Zielblutdruck ist sehr individuell, man sollte sich also grundsätzlich vor der Einleitung überlegen in welchen Bereichen man sich bewegen will.
  2. Uns stehen zahlreiche Substanzen zur Verfügung, wobei es pharmakologisch durchaus Unterschiede gibt. Bei der Wahl der Substanz sollte man daher auf Vorerkrankungen (insbesondere des Herzens) Bedacht nehmen. Dabei ist insbesondere relevant, ob die Herzleistung ausreicht wenn man den systemischen Widerstand deutlich erhöht.
  3. Push-Dose bedeutet kurzfristige Anwendung. Wenn man wiederholt Boli geben muss, sollte man sich irgendwann überlegen ob wirklich alles passt. Das inkludiert beispielhaft den Volumenstatus, intraoperativen Blutverlust, etc. Sollte man dann tatsächlich Vasopressoren benötigen, bietet sich auch ein Perfusor an – aber dazu ein anderes mal. 

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