Ösophageale Intubation

Wie uns allen bekannt ist, erfolgt die Platzierung eines Beatmungsschlauches (Trachealtubus, TT) in die Luftröhre. Dabei ist die Intubation in die falsche Röhre (Ösophagus) zu vermeiden und die Fehllage muss sofort erkannt werden (direkte Sicht, etCO2, Ultraschall), da ein Gasaustausch über den Magen nicht möglich ist.

Aber darum soll es heute eigentlich gar nicht gehen. Es gibt Situationen des Atemwegsmanagements, die treiben selbst den erfahrensten Anästhesisten Schweißperlen auf die Stirn, insbesondere wenn es sich um eine Notfallnarkose handelt. Dazu gehört zum Beispiel unaufhörliches Erbrechen nach Narkoseeinleitung, z.B. bei zugrunde liegendem paralytischem Ileus.

Okay, normalerweise wird vor Narkoseeinleitung bei Darmverschluss eine Magensonde gelegt, um den Magendarminhalt bis zur Sicherung des Atemwegs abzusaugen und somit eine Aspiration zu vermeiden, die z.B. zu einem ARDS oder Asphyxie führen kann. Sollte es nach Narkoseinduktion (diese führt zum Verlust von Schutzreflexen wie Husten, Schlucken, Würgen) zu einer passiven Regurgitation von Magendarminhalt kommen, so läuft dieser idealerweise über die Magensonde in ein Sackerl ab. Unter Umständen (d.h. wenn der Inhalt auch vorbeirinnt und sich ein See im Pharynx bildet) ist der zusätzliche Einsatz von Absaugkathetern notwendig, um eine orale Absaugung durchzuführen und die Aspirationsmenge zu reduzieren.

Aber was soll man tun, wenn auch das nicht den gewünschten Erfolg bringt? Immerhin wird auch die Sicht durch Magendarminhalt erheblich beeinträchtigt. Und nein, das Videolaryngoskop ist hier dann auch nicht immer die Lösung, denn die Kamera kann regelrecht zulaufen (Link), sodass auch hier keinerlei Sichtbedingungen mehr bestehen können. Aus diesem Grund ist es im Übrigen nicht ratsam, Patienten nur mit dem Videolaryngoskop zu intubieren, denn das konventionelle Laryngoskop ist das Rescue Device, sollten unerwartet Probleme auftreten (Link).

Genau hier kommen wir zu einem Thema, wo viele Anästhesisten zuerst wahrscheinlich mal die Hände vor dem Gesicht zusammenschlagen würden: Die bewusste, gewollte und gezielte ösophageale Intubation mit einem Trachealtubus. Ja, ihr habt richtig gelesen. Eigentlich unvorstellbar, aber irgendwie doch auch logisch. Bei unstillbarem Erbrechen nach Narkoseeinleitung wird ein Beatmungsschlauch in den Ösophagus platziert, der Cuff aufgeblasen (zum Abdichten) und ein Absaugschlauch an den TT angeschlossen – ermöglicht wird dadurch ein effektives Absaugen von Magendarminhalt. Klingt nach einer Cowboy-Aktion. Ist es aber nicht. Es gibt dazu nämlich auch schon Fallberichte (Link) bzw. Simulationen von Anästhesisten, die die Effektivität nachgewiesen haben (Link), auch gegenüber der SALAD-Technik (Link).

Zusammenfassend ist die absichtliche ösophageale Intubation ein weiteres Ass im Atemwegsarsenal von Anästhesisten. Bei sehr hohem Aspirationsrisiko (Ileus!) empfiehlt es sich überhaupt, zusätzlich zur Magensonde mittels SALAD-Technik (s.o.) zu intubieren. Sollte es dennoch zu massivem Erbrechen kommen (bzw. wurde SALAD nicht angewandt), so kann man als Rescue-Versuch in den Ösophagus intubieren, einen Absaugkatheter anstecken und dann hoffentlich in Ruhe laryngoskopieren und intubieren. Das Atemwegsmanagement ist hochkomplex, mit zahlreichen Komplikationen vergesellschaftet und erfordert jahrelange Übung an Menschen aller Altersklassen und Konstitutionen, um sicher, effektiv und möglichst komplikationslos durchgeführt zu werden. Letzten Endes vertrauen uns unsere Patienten, die uns in der Regel gar nicht kennen, ihr Leben an.


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