Der heutige Beitrag behandelt ausschließlich den (lebensbedrohlichen) Asthmaanfall des Erwachsenen, nicht die Erkrankung Asthma Bronchiale per se (Ursachen, Prophylaxe, Medikamente etc). Hauptquelle ist die NVL 2024 (Link). AECOPD findet ihr hier.
Einführung
Asthma stellt eine chronische, jedoch symptomatisch reversible Erkrankung dar, die durch anfallsartige Bronchokonstriktion mit Dyspnoe aufgrund bronchialer Hyperreagibilität / Entzündung assoziiert ist. Der Asthmaanfall selbst ist ein Zustand, der zügig medikamentös durchbrochen werden muss, da lebensbedrohliche Komplikationen drohen. Erkennbar ist er an einer Aggravierung der basalen Symptomatik, d.h. der Patient beschreibt eine ungewöhnliche Zunahme der Bronchokonstriktion (+ Giemen ~ Pfeifen) und Luftnot, die sich auch auf Eigenmedikation (Inhalation von β2-Mimetika und Glucocorticoiden) nicht bessert. Das Exspirium ist deutlich verlängert (Exspirationsfluss dtl. behindert). Im Extremum ist der Zustand dermaßen ausgeprägt, dass gar keine vollständigen Sätze gebildet werden können, da der Patient zwischen den Einzelworten Luft holen muss. Auch die Anwendung der Atemhilfsmuskulatur kann deutlich sichtbar sein. Bei Kindern zeigt sich das ganz besonders an Nasenflügeln und thorakale Atemeinziehungen. Unter Umständen ist gar kein Auskultationsgeräusch mehr wahrnehmbar (Silent Lung), da keine Luft mehr bewegt werden kann.
Die Vitalwerte zeigen Hypoxämie, stressbedingte Tachycardie und Blutdruckanstieg. Eine Blutgasanalyse (BGA) weist zunächst eine Hypokapnie nach (Hyperventilation), wobei zu berücksichtigen ist, dass die Atemexkursion mit zunehmender Erschöpfung insuffizient wird und somit der PaCO2 in den Norm- und dann höheren Bereich verschoben wird, da das CO2 nicht mehr abgeatmet werden kann. Spätestens hier ist ordentlich Feuer am Dach, da der Asthmatiker jederzeit dekompensieren kann. Narkoseeinleitung und Intubation sind anzudenken, wenn nicht unmittelbar eine Besserung durch aggressivere Therapiemaßnahmen eintritt. Dazu später. Von der NVL Asthma gibt es einen schönen Graphen, der zwischen leichtem, schwerem und lebensbedrohlichem Anfall mit Cutoffs unterscheidet (z.B. HF, AF). Das ist zwar nett, hat für uns in der Praxis akut aber keine Bedeutung, da wir hier auf unsere klinische Erfahrung und die Präsentation des Patienten achten. Ist unser Erstgedanke „Patient sieht sehr schlecht aus“, dann behandeln wir ihn auch entsprechend aggressiv.
Medikamentöse Therapie
Die Therapie ist ähnlich einer AECOPD. Der Patient sucht sich eine Position, die für ihn angenehm erscheint, während er von uns mindestens einen i.v. Zugang erhält (intraossär bei präletalem Zustand und schlechtem Venenstatus). Die Lippenbremse ist zu aktivieren, um bei Exspiration einen physiologischen auto-PEEP zu generieren. O2 wird hochdosiert verabreicht, bis wir uns sicher sind, dass der Anfall unter Kontrolle ist. Die inhalative Therapie ist fortzusetzen, z.B. Verneblung von Salbutamol 5 mg (β2-Mimetikum) + Ipratropium 0,5 mg (Anticholinergikum), oft als Kombinationspräparat verfügbar. Ein Glucocorticoid ist primär p.o. indiziert (Prednisolon 50-100 mg), bei unmöglicher Aufnahme oder ausbleibender Verfügbarkeit natürlich intravenös (Methylprednisolon 50-100 mg i.v., Dexamethason 10-20 mg i.v.). Bitte nicht 1000 mg Prednisolon reinballern. Weiters verabreichen wir großzügig Kristalloid, da durch die Hyperventilation sehr viel Flüssigkeit verloren geht.
Sollte sich hier die Situation in den nächsten Minuten nicht deutlich bessern (oder treffen wir überhaupt einen hochgradigen Bronchospasmus an), so ist eine weitere inhalative Gabe von Bronchodilatatoren sinnlos, da diese im Wirkgebiet nicht ankommen – Status Asthmaticus. Wir eskalieren die Therapie somit mittels β2-Mimetikum Terbutalin i.v. (in Boli von 50-100 mcg, das macht nämlich ordentlich tachycard). Auch das β2-Mimetikum Reproterol in fraktionierten Gaben ist eine Option. Zusätzlich erhält der Patient Magnesiumsulfat 2 g i.v. (Bronchodilatation durch physiologischen Calcium-Antagonismus). Beachte, dass i.v. β2-Mimetika und Magnesium zu einem Blutdruckabfall führen können. Als eine der letzten Optionen bleibt noch Theophyllin über, wobei die Effektivität angezweifelt wird – ich würde das Medikament nicht anwenden.
Sollte es darunter weiterhin nicht zur Besserung des Patienten kommen, so würde ich die Therapie mit Glycopyrrolat 0,2 mg i.v. oder Butylscopolamin 20 mg i.v. erweitern (Anticholinergika zur Bronchodilatation und pulmonalen Sekrethemmung). Dazu gibt es (auch bei COPD) interessanterweise gar keine Daten, jedoch finde ich es spannend, dass wir Anticholinergika inhalativ verabreichen (Ipratropium), aber nicht i.v. wenn eine inhalative Gabe nicht erfolgsversprechend erscheint. Bei den β2-Mimetika verabreichen wir sie aber i.v. wenn sie p.i. nicht wirken. Irgendwie eigenartig. Ehrlicherweise ist mir das Leben des Patienten in dem Fall deutlich wichtiger als eine nicht existierende Datenlage zu i.v. Anticholinergika. Vielleicht hat auch kaum jemand daran gedacht – weiß es einer von euch? Als Last Resort findet man in FOAM (Free Open Access Medicine) und Lehrbüchern noch Adrenalin i.m.; auch hierfür gibt es eigentlich kaum Daten, sondern lediglich Erfahrungsberichte (Link).
Nicht-invasive Beatmungstherapie
Wir haben nun unser ganzes Pulver verschossen und sind uns sicher, dass ein lebensbedrohlicher Asthmaanfall die korrekte Arbeitsdiagnose ist und wir hier nicht irrtümlich ein anderes Krankheitsbild behandeln. Ein kurzer Schall ist auf jeden Fall indiziert (z.B. Begleitpneumothorax!). Der Patient kann kaum atmen, ist im redAZ und wird zunehmend muskulär erschöpfter. Wir sind mittlerweile bei Adrenalin-Boli angekommen, um irgendwie noch Vitalfunktionen und eine Ventilation aufrechtzuerhalten. Wir entscheiden uns nun für eine Beatmungstherapie; was bleibt uns denn noch über? So werden wir zunächst versuchen, eine nicht-invasive Ventilation ~ NIV (Link) zu etablieren (FiO2 100%, IPAP 10 cm H2O, EPAP 5 cm H2O), wobei das natürlich an Abwehrreaktionen des Patienten scheitern kann. Eine Sedierung bei solch einem lebensbedrohten Patienten ist wirklich der Albtraum jedes Mediziners. Andererseits haben wir keine anderen Optionen, außer zuzuschauen wie der Patient in den hypoxisch-hyperkapnischen Arrest geht. So werden wir eine kleine Dosis Esketamin (max. 5-10 mg i.v. initial!) verabreichen, um die NIV-Beatmung tolerabel zu machen. Weitere Esketamingaben erfolgen titriert nach Wirkung. Innerklinisch kann auch mittels Dexmedetomidin gearbeitet werden. Sollte es hierbei zu einer Besserung kommen, können wir im Hintergrund eine Infusion mit β2-Mimetikum mitlaufen lassen (durchaus Adrenalin vertretbar!), während wir entweder ins Spital rasen oder uns ein Intensivbett organisieren lassen.
Invasive Beatmungstherapie
Jetzt kommen wir zu dem Kapitel das ich eigentlich gar nicht erwähnen wollte, nämlich die Narkoseeinleitung und Intubation des präletalen Asthmapatienten. Also ein fürchterlicheres Szenario kann ich mir persönlich nicht vorstellen. Weil hier geht’s wirklich ab. Jaja, überall liest man Ketamin (oder Esketamin) geben, weil das ja bronchodilatierend wirkt und so. Intubation, fertig. Ja wenn es denn so einfach wäre. Zunächst einmal ist anzumerken, dass wir den Patienten adäquat präoxygenieren müssen. NIV ist hier natürlich super (alternativ Beutel-Maskenbeatmung wenn Asthmapatient präletal angetroffen wird), und zwar iS einer Delayed Sequence Induction. D.h. mittels Esketamin erfolgt eine Analgosedierung zur Durchführung der Präxoygenierung und Decarboxylierung. Die RSI erfolgt bestenfalls mittels (Es)Ketamin und Rocuronium, + Adrenalinboli oder Noradrenalin zur Kreislaufstabilisierung. Phenylephrin ist keine gute Wahl, da es den pulmonalen vaskulären Widerstand potent erhöht und den rechten Ventrikel weiterbelastet. Manche Autoren postulieren noch die Gabe von i.v. Lidocain, um die Atemwegsreflexe zu dämpfen und eine Verstärkung des Bronchospasmus durch das Einführen des Tubus in die Trachea zu reduzieren (Link). Die NIV ist mit einer Backupfrequenz einzustellen, sodass während des Apnoeeintritts eine weitere Oxygenierung und Decarboxylierung stattfindet. Mit jeder Sekunde Apnoe steigt das CO2 an, was den rechten Ventrikel, der sowieso schon auf Vollgas läuft, völlig unter Druck setzt (CO2 -> Acidose -> Verstärkung hypoxisch-pulmonale Vasokonstriktion). Ein akutes Rechtsherzversagen mit CPR-Pflichtigkeit ist die Folge, noch bevor wir einen Tubus gesetzt haben. Idealerweise also vor Narkose noch einen arteriellen Zugang setzen! Wir spateln mit VL auf und intubieren erfolgreich die Trachea. Die Kapnographie schaut komplett beschissen aus, also Haifischzacken, weil kaum eine Exspiration stattfindet. Kurzer Blick: Patient lebt noch.
Das war’s, oder? Nein, es kommt leider noch schlimmer. Die Beatmung des Patienten mit Asthmaanfall gehört zu den komplexesten Maßnahmen der Intensivmedizin, weil wir hier so wahnsinnig viel falsch machen können. Gefahren, die auf uns lauern können (denke auch an DOPERS):
- schwieriger Atemweg mit Unmöglichkeit der Intubation, sodass nur eine Larynxmaske gesetzt werden kann (Überdruckbeatmung nur begrenzt möglich, aber sicher nicht ausreichend für einen lebensbedrohlichen Asthmaanfall -> hier an Coniotomie – bzw. Nottracheotomie falls HNO anwesend – denken, um zumindest irgendwie einen Tubus in die Trachea einzuführen)
- Rechtsherzversagen mit Kreislaufstillstand durch Überdruckbeatmung
- auto-PEEP mit dynamischer Hyperinflation (Klartext: Exspiration ist zu kurz, um die eingeatmete Luft vollständig zu entleeren -> erkennbar an Flowkurve -> Luft sammelt sich mit jedem Atemzug an, überbläht die Lunge und drückt die großen Venen ab -> fehlende Vorlast -> Kreislaufstillstand) -> Lösung ist Diskonnektion vom Beatmungsgerät und beidhändiger Druck auf den Thorax, um die Luft rauszupressen
- Barotrauma mit bilateralem Spannungspneu (und das erkenn jetzt mal bei so einem Patienten, viel Spaß!) -> bilaterale Thorakostomie (erwäge auch prophylaktisch als Ultima Ratio)
- Unmöglichkeit der Beatmung mit Undurchbrechbarkeit des Asthmaanfalls und Tod des Patienten
Ihr seht: diese Patienten gehören in die Hände von Leuten die sich mit Beatmung auskennen und sämtliche Facetten des Airwaymanagements beherrschen.
Unser Patient lebt und wir wollen jetzt die Beatmung einstellen. Empfohlen in der Literatur sind:
- FiO2 angepasst an SaO2 88-94% (Physio dahinter siehe AECOPD)
- Volumenkontrollierte Beatmung mit Tidalvolumen 6 ml/kg IG
- Inspirationsflow auf 60-90l/min (damit Inspiration so rasch wie möglich erfolgt)
- Atemfrequenz 8-14/min
- Verhältnis Insp:Exsp 1:3(-5)
- Pplat < 30 cm H2O
- PEEP 0-5 cm H2O
- permissive Hyperkapnie ist OK, solange pH > 7,2
Der Anästhesist wird jetzt noch dafür sorgen, dass möglichst rasch eine inhalative Sedierung mittels Isofluran oder Sevofluran erfolgt, da diese beiden potent bronchodilatierend wirken. Die Analgesie kann mittels Remifentanil und (Es)Ketamin aufrechterhalten werden. Sollte der Patient immer noch nicht beatembar und weiterhin präletal oder gar CPR-pflichtig sein, so ist die Anlage einer VV-ECMO indiziert.
Fazit
Der Asthma-Anfall ist ein lebensbedrohliches Krankheitsbild, welches rasch dekompensieren kann. Aus diesem Grund liegt es an uns, zügig eine stufenweise eskalierende Therapie einzuleiten, um die Horrorszenarien, die ich oben beschrieben habe, zu vermeiden. Die NIV oder Intubation eines Patienten mit lebensbedrohlichem Asthma-Anfall ist ein Szenario, das niemand erleben will.
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