Analgosedierung i.n. bei Kindern

Im heutigen Beitrag geht es um ein Thema, bei dem häufig viele Unsicherheiten herrschen. Ein Kind, das über starke Schmerzen klagt oder eine (Analgo)Sedierung benötigt, ist per se schon eine Herausforderung. Verkompliziert wird das zusätzlich dadurch, wenn gar kein intravenöser Zugang etabliert ist. Ein schreiendes, sich wehrendes Kind erscheint nicht gerade der ideale Kandidat, um seine „Akupunktur“ mittels zahlreicher missglückter Venenzugänge durchzuführen. Insofern muss man sich zunächst eine zentrale Fragen stellen: braucht das Kind jetzt in diesem Moment dringend einen i.v.-Zugang? Lautet die Antwort nein, so ist zu klären, welche Alternativen zur Verfügung stehen.

Genau hier kommt die intranasale Gabe von Medikamenten ins Spiel. Wiewohl der Wirkeintritt verzögert ist und mehrere Minuten (bzw. bis zu 1h, siehe hier) benötigen kann, so handelt es sich in der Tat um eine elegante Form der schmerzarmen Applikation von Medikamenten an Kinder. Wichtig ist ein ruhiger, verständnisvoller und vorsichtiger Zugang zum Kind. Folgende Substanzen stehen uns grundsätzlich zur Verfügung (durch Klick gelangt man auf unsere Beiträge zu den jeweiligen Substanzen):

Dexmedetomidin

Dexmedetomidin ist ein α2-Agonist und Imidazol-Rezeptor-Antagonist, welcher zu Sympathikolyse führt. Es ergeben sich anxiolytische, sedierende und analgetische Wirkmuster. In der Regel kommt es nicht zur Atemdepression. Derzeit gibt es klinische Erfahrungsberichte (Link, Link, Link) mit intranasalem Dexmedetomidin (~ 2-4 mcg/kg i.n.) zur Prämedikation vor Operationen bzw. nicht-schmerzhaften Untersuchungen (z.B. MRT). Wichtige Nebenwirkungen sind Bradycardie und Hypotonie.

Esketamin

Esketamin ist ein dissoziatives Anästhetikum mit starken analgetischen Eigenschaften (v.a. durch Blockade des NMDA-Rezeptors bzw. Agonismus an Opioid-Rezeptoren). Daher findet es seine Anwendung (Link, Link) im Rahmen der Analgesie (1 mg/kg i.n., z.B. traumatische Schmerzen) bzw. Analgosedierung (2 mg/kg i.n., z.B. starke Verbrühung, Anlage eines Knochenbohrers), siehe u.a. hier und hier. Eine Co-Medikation mit Midazolam ist nicht zwingend erforderlich, mehr dazu könnt ihr dem Beitrag über Esketamin entnehmen. Wichtige Nebenwirkungen sind Kreislaufstimulation, Halluzinationen und Übelkeit (erwäge + Ondansetron, falls i.v.-Zugang etabliert werden konnte).

Fentanyl

Fentanyl ist ein Opioidanalgetikum, das bei stärksten Schmerzen indiziert ist (1-2 mcg/kg i.n.), z.B. traumatisch oder abdominell. Mittlerweile gibt es schon viele Daten und reichlich Erfahrungsberichte (Link, Link, Link). Wichtige Nebenwirkungen sind Atemdepression und Übelkeit. Mit Naloxon steht ein vollwertiger Antagonist zur Verfügung.

Midazolam

Midazolam ist ein Benzodiazepin, welches anxiolytische, sedierende und amnesierende Effekte aufweist. Es hat jedoch keine schmerzstillenden Wirkungen, weshalb es primär zur Sedierung eingesetzt wird (z.B. Verbringung des Kindes von einem Ort zum nächsten, nicht-schmerzhafte Untersuchung). Empfohlen haben sich 0,3-0,5 mg/kg i.n. (Link, Link, Link), wichtige Nebenwirkungen sind Atemdepression und paradoxe Reaktion. Außerdem brennt es in der Nase. Mit Flumazenil steht ein vollwertiger Antagonist zur Verfügung.

Nalbuphin

Nalbuphin ist ein Opioid, das antagonistisch an µ-Rezeptoren und agonistisch an κ-Rezeptoren wirkt. Dadurch ergibt sich eine starke spinal mediierte Schmerzstillung mit Ceiling-Effekt der Atemdepression. Es wirkt potent sedierend und wird in einer Dosis von 0,4 mg/kg i.n. verabreicht (Link). Die wichtigste Nebenwirkung ist Atemdepression, mit Naloxon steht ein vollwertiger Antagonist zur Verfügung.

Was heißt das für die Praxis?

Grundsätzlich ist es vorteilhaft, dass uns mehrere Substanzen intranasal zur Verfügung stehen. Limitierend ist jedoch die oft fehlende Erfahrung über diesen Applikationsweg. Kennt man sich mit der intravenösen Applikation der oben genannten Medikamente aus, so steht einer sicheren intranasalen Applikation meist trotzdem nichts mehr im Wege, da der Umgang mit etwaigen Nebenwirkungen oder Komplikationen ohnehin bekannt wäre (z.B. assistierte Beutel-Masken-Beatmung). In der Präklinik ist es auf jeden Fall vertretbar, einem Kind die Schmerzen intranasal zu nehmen und zügig OHNE intravenösen Zugang ins nächste geeignete Spital zu fahren. Auch innerklinisch ist die intranasale Applikation eine Option, insbesondere wenn unerwartet unangenehme Maßnahmen am Kind durchzuführen sind (z.B. die Anlage eines zeitdringlichen i.v.-Zugangs!).


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