DOPERS

Dieser Beitrag ist zweiteilig – einmal fiktiver Fall (GYN), einmal realer Fall (CHIR).

Nachdem wir die letzten Tage kranke Patienten narkotisiert haben, dürfen wir uns heute auf einen Gyn-Tisch freuen. 18 Jahre, ASA 1 zur Konisation und Hysteroskopie, keine Vorerkrankungen. Was kann da schon schief gehen? Wir beamen unsere erste Patientin mit Alfentanil und Propofol ins Reich der Träume und setzen problemlos eine Larynxmaske. Derweil wäscht sich das Gyn-Team und beginnt den Eingriff. Kurze Zeit später nimmt der Operateur die Hegar-Stifte in die Hand und dilatiert den Gebärmutterhals auf. Und schon schreit die Maschine: Ppeak 30 cm H20, Tidalvolumen 80 ml, Kapnographie und Flowkurve sind grauslich. Mehr zu Beatmung findet ihr hier. Ein klarer Fall für:

Wir informieren den Gynäkologen über das Beatmungsproblem, erhöhen die FiO2 auf 100%, ventilieren die Patientin im manuellen Modus und gehen systematisch nach dem DOPERS-Schema vor:

  • Displacement → die Larynxmaske ist nicht verrutscht und fest fixiert
  • Obstruction → die Dilatation des Gebärmutterhalses mittels Hegar-Stiften ist äußerst schmerzhaft→ es zeigen sich weder Thoraxexkursionen noch Hinweise auf eine effektive Beatmung → unser sofortiger Verdacht ist ein durch Schmerz bedingter Laryngospasmus → wir vertiefen die Narkose mit Alfentanil und Propofol
  • Pneumothorax → Hinweise wären Risikofaktoren (z.B. Thoraxtrauma, ZVK-Anlage) und erniedrigte Tidalvolumina mit deutlich erhöhten Beamtungsdrücken, Entsättigung, Tachycardie, einseitige Hebung und Belüftung des Thorax und eventuell subcutane Emphyseme → die Lungensonographie hilft extrem bei der Diagnostik
  • Equipment → wir kontrollieren die Maschine, finden aber keine Hinweise auf Diskonnektion der Schläuche oder sonstiger Zusätze
  • Rigidity → Alfentanil kann als Opioid eine Thoraxrigidität bedingen, diese ist aber idR bereits nach kurzer Zeit fassbar und tritt primär bei zu rascher Injektion auf
  • Stomach → eine übermäßige Insufflation des Magens schließen wir aus, da Ppeak während der Larynxmaskenbeatmung bei 13 cm H2O war → somit ist der obere Ösophagussphinkter noch nicht eröffnet, eine Mageninsufflation unwahrscheinlich

Nach Gabe der obig genannten Medikamente gelingt die Durchbrechung des Laryngospasmus, zügig sinkt der Atemwegsdruck, die Kapnographie, Tidalvolumina und Flowkurven der Beatmungs sind schön. In Ruhe wird die OP fortgesetzt und die Patientin 20 Minuten später ausgeleitet.

Exkurs

Rezent hatte ich ein erhebliches Beatmungsproblem bei einem schwer kranken Intensivpatienten mit akuter Pancreatitis und Ileus, welcher Tage zuvor operiert worden war. Ich übernahm den mittlerweile extubierten Patienten zum Wechsel seines Abdominal Dressings. Als Info erhielt ich von der übergebenden Kollegin, dass auf der ICU ein OptiFlow (Hochflussnasenbrille, Link) zur Aufrechterhaltung einer suffizienten Oxygenierung erforderlich war, da eine reine O2-Maske mit Reservoir nicht genügte. Wir erinnern uns: bei akuter Pancreatitis droht neben Pleuraergüssen, Begleitpneumonie und erhöhtem intraabdominellem Druck (Zwerchfellhochstand) auch die Entwicklung eines ARDS (akutes Lungenversagen).

Ich leitete die Notfallnarkose (Link) mittels Alfentanil, Etomidat und Rocuronium unter laufendem Noradrenalin ein und der Patient wurde durch einen notärztlichen Kollegen (absolviert regelmäßig Auffrischungstage im OP) prompt und problemlos intubiert. Doch sofort war ersichtlich, dass ein schweres Oxygenierungsproblem folgte – mit FiO2 100% und PEEP 7 cm H2O erzielte man lediglich ein SpO2 von 80% (verifiziert in der aBGA). Der Beatmungsdruck betrug 28 cm H2O. Ich rekrutierte den Patienten mehrmals und erhöhte den PEEP auf 10 cm, was zu einer bedingten und kurzfristigen Besserung führte (SpO2 94%). Ich informierte eine Oberärztin über den Zustand und machte mich mittels DOPERS auf die Ursachensuche:

  • D – Kapnographiekurve ohne Haifischzacke (Ausschluss Bronchospasmus oder einseitige Intubation), Thorax eindeutig beidseits hebend
  • O – Absaugen des Tubus bland
  • P – im Sono keine Hinweise auf Pneu, bdsts Pleuraergüsse (nicht punktionswürdig)
  • E – keine Hinweise auf Maschinenfehler
  • R – Patient mit Rocuronium maximal relaxiert
  • S – Magen vor RSI abgesaugt mittels Magensonde, Bauch eröffnet (kein abdominelles Kompartmentsyndrom)

Während die Chirurgen mit der OP starteten ließ ich mir das Bronchoskop holen und führte eine Notbronchoskopie durch. In dieser stellte ich v.a. in den Unterlappen (li > re) zähig-schleimige Veränderungen fest, welche ich mittels sterilem Aqua gut mobilisieren und absaugen konnte. Danach rekrutierte ich die Lungen des Patienten erneut (-> Absaugen durch Bronchoskop kann Atelektasen bedingen) und stellte den PEEP nun auf 18 cm H2O gemäß ARDSnet Trial Tabelle ein. BGA: PaO2 ~ 100 mmHg (Katastrophe mit diesen Einstellungen!) Das Tidalvolumen beließ ich auf 400 ml (6 ml/kg Idealgewicht – lungenprotektiv). Ich verbrachte den Patienten nach Eingriffende intubiert-beatmet zurück auf die Intensivstation. Im Folgegas konnte bereits ein PaO2 von 240 mmHg festgestellt werden, d.h. meine Maßnahmen hatten zu einer Besserung geführt – langsam wurde daher eine Entwöhnung von den Beatmungsparametern versucht. Ein Thoraxröntgen wies die bereits bekannten Pleuraergüsse nach wie auch den Verdacht auf eine entzündliche Komponente basal (li > re) – ARDS beginnend?

Wir halten fest: Beatmung von schwer kranken Intensivpatienten ist hochkomplex, insbesondere wenn Probleme auftreten und die Ursachensuche keine klaren Ergebnisse mit sich bringt. Man stelle sich vor solch eine lebensbedrohliche Oxygenierungsstörung wäre im präklinischen Setting im Notarztdienst unmittelbar nach Narkoseeinleitung passiert, wo die Diagnose-, Hilfe- und Unterstützungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt sind. Das lässt auch den erfahrensten Notarzt nicht kalt. Der regelmäßige Umgang mit künstlich beatmeten Patienten wie auch den verschiedenen Devices (Tubus, Larynxmaske, Bronchoskop, …) ist der einzige Weg, Patienten sicher durch eine Narkose(einleitung) und Beatmung zu führen.


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