Lebensbedrohliche EKGs

In diesem Beitrag findet ihr eine Auswahl an lebensgefährlichen rhythmologischen EKG-Mustern, die eine unmittelbare Handlung erfordern. Der akute Einsatz von Antiarrhythmika oder Strom (SHIT-Kriterien) ist erforderlich. Exkurs: Lewis-Lead.

Brugada-Syndrom

Das Brugada-Syndrom wurde erstmals 1992 (Link) von den beiden Ärzten Dr. Pedro Brugada / Dr. Josep Brugada wissenschaftlich publiziert und gehört zu den Sudden Cardiac Death Syndromen (SCDS). Zugrunde liegend sind primär Natrium-Kanalmutationen, die zu einer verzögerten Öffnung führen und dadurch Depolarisations- und Repolarisationsstörungen durch aberrante Aktionspotential verursachen, wiewohl auch andere Ionenkanäle betroffen sein können (Link). Es drohen maligne Tachyarrhythmien bis hin zum plötzlichen Herztod, weshalb der implantierbare Cardioverter-Defibrillator (ICD) als Therapie der Wahl gilt. Manifestationsalter ist meist das 40. LJ (Link), viele Patienten bleiben im Laufe ihres Lebens jedoch asymptomatisch bzw. haben ein verborgenes Brugada-Muster (im EKG nicht sichtbar, aber demaskierbar z.B. durch Fieber oder Klasse-1-Antiarrhythmika wie Ajmalin oder Flecainid).

Ursprünglich wurden die EKG-Muster in 3 Typen eingeteilt (Link), dies wurde 2012 aber verlassen (Link), sodass nur mehr Typ 1 (coved type) oder Typ 2 (saddleback type) von Relevanz sind.

Brugada-Muster Typ 1 (V1, coved) und Typ 2 (V2, saddleback)

Lediglich Typ 1 ist von diagnostischem Charakter, d.h. ein Typ 2 Brugada-Pattern muss unter Provokationstest zu einem Typ 1 werden, damit ein Brugada-Syndrom in den Raum gestellt werden kann. Für die Diagnose weiters erforderlich ist eine klinisch-anamnestische Auffälligkeit (Link):

  1. plötzlicher Herztod in der Familie bei einem Angehörigen < 45J
  2. dokumentiertes KaFli oder polymorphe VT
  3. Typ 1 EKG-Muster bei einem Familienangehörigen
  4. auslösbare VT mittels Stimulation
  5. Synkope
  6. nächtliche agonale Atmung

Bei unklarer EKG-Diagnostik kann versucht werden, V1/V2 im 2. oder 3. ICR anzubringen, um ein Brugada-Pattern eventuell doch zu erfassen (Link, Link), da anatomische Varianzen des rechtsventrikulären Ausflusstraktes (RVOT) möglich sind (Link).

Management des Brugada-Syndroms (Link)

Bundgaard-Syndrom

Das Bundgaard-Syndrom ist eine genetisch bedingte rhythmogene Erkrankung, die erstmals 2018 von Bundgaard et al. beschrieben worden ist (Link). Das Syndrom ist mit einer erhöhten Inzidenz an Herzrhythmusstörungen (v.a. Vorhofflimmern), polymorpher ventrikulärer Tachycardie und Kammerflimmern assoziiert und prädestiniert daher für letale Arrhythmien. Es droht der plötzliche Herztod. Insgesamt ist noch relativ wenig über das Krankheitsbild bekannt und es gibt auch nicht viele publizierte betroffene Menschen. Pathophysiologisch scheint eine gestörte Repolarisation an der Herzbasis ursächlich zu sein (Link). 2022 wurden durch Christensen diagnostische Kriterien im EKG publiziert (Link):

  • persistente (häufig konkav-aszendierend) ST-Senkungen in mind. 4. Ableitungen (I-III, V4-V6)
  • Zunahme der ST-Senkungen unter Belastung
  • ST-Hebung in aVR
  • u.U. Knotung in ST-Strecke (v.a. V3/V4)
  • autosomal dominante Vererbung ersichtlich (EKG von Angehörigen)

Ein Beispiel-EKG seht ihr hier aus der Originalpublikation:

Na, fällt euch was auf? Genau. Das sieht doch extrem aus wie bei Hauptstammstenose / -verschluss, schwerer 3-Gefäßerkrankung oder generalisierter Myocardischämie (siehe OMI-NOMI). Uff. Wie soll man sich denn jetzt entscheiden eine MCI-Therapie einzuleiten oder nicht? Die Antwort liegt in „Treat the patient, not the monitor.“ Ein vollkommen oder halbwegs gesunder Patient ohne AP-/MCI-Anamnese bzw. mit klassischer rhythmogener Symptomatik (z.B. immer wieder Herzklopfen, Synkope unter Belastung) wird wohl keine der vorher genannten Diagnosen aufweisen. Es lohnt sich zumindest die Notiz an den Kardiologen, dass potentiell ein Bundgaard-Syndrom vorliegen könnte, v.a. wenn die EKG-Kriterien erfüllt sind und anamnestisch in der Familie Fälle von Palpitationen / plötzlichen Herztoden vorbekannt sind. Therapeutisch wird primär mittels Beta-Blocker, ICD und Ablation (z.B. bei Vorhofflimmern) vorgegangen.

FBI-Tachycardie

Hier geht es nicht um das Federal Bureau of Investigation, sondern um die Fast Broad Irregular (FBI) Tachycardie. Wie der Name sagt handelt es sich um eine schnelle (fast), breite (broad) und irreguläre (irregular – arrhythmisch) Tachycardie, welche meistens mit dem Wolff-Parkinson-White-WPW-Syndrom assoziiert wird (Link). Bei vorbekanntem Vorhofflimmern und Schenkelblock kann eine FBI-Tachycardie natürlich auch auf dieser Basis auftreten.

Das WPW-Syndrom (Link) zählt zu den Präexzitationssyndromen. Charakteristisch ist eine oder mehrere Leitungsbahnen (oftmals als Kent-Bündel bezeichnet), welche einen aberranten Leitungsweg von den Atrien in die Ventrikel ermöglichen und schneller als der AV-Knoten leiten. Das EKG eines WPW-Patienten zeigt somit eine PQ-Zeit < 120 ms, eine Delta-Welle und Erregungsrückbildungsstörungen (ST-Senkungen; ist die Depolarisation gestört, so ist auch die Repolarisation gestört). Beachte, dass es auch verborgene WPW-Syndrome gibt, d.h. sie sind im EKG nicht sichtbar. Das WPW-Syndrom prädestiniert für letale Arrhythmien (v.a. im jungen Alter), welche orthodrom (Atrium -> AV-Knoten -> Ventrikel -> Leitungsbahn -> Atrium; Schmalkomplex) oder antidrom (Atrium -> Leitungsbahn -> Ventrikel -> AV-Knoten -> Atrium, Breitkomplex) kreisförmig verlaufen. Man spricht von AV-Reentry-Tachycardien (AVRT). Eine AVRT ist nicht mit AVNRT zu verwechseln. Die Heilung besteht in der Ablation.

WPW-Syndrom

Problematisch wird das Ganze, wenn sich Vorhofflimmern hinzugesellt. Bei VHFli ist die atriale Frequenz > 300/min. Diese Erregungsbombarde wirkt auf die Ventrikel ein. Gesunde haben dabei den AV-Knoten als „Bremsfunktion“, d.h. von > 300 Erregungen/min wird nur ein gewisser Teil (z.B. 110-130/min) auf die Ventrikel übertragen (z.B. VHFli mit HF 110-130/min im EKG). Hat der Patient aber ein WPW-Syndrom, so können deutlich mehr Erregungen über die akzessorische, schnell leitende Bahn in die Ventrikel geleitet werden – dadurch kommt es zu einer antidromen Leitung (Breitkomplextachycardie). Es können ventrikuläre Frequenzen jenseits von Gut und Böse beobachtet werden, da die aberrante Bahn so schnell leiten kann. Es droht Kammerflimmern.

FBI (Quelle)

Aus diesem Grunde sind bei einer WPW-FBI-Tachycardie AV-Knotenblocker absolut kontraindiziert, weil sie durch die AV-Blockade eine Leitung über die aberrante Bahn bevorzugen. Zu den Substanzen zählen u.a. Adenosin (laut ERC bei vorbekanntem WPW generell kontraindiziert), Esmolol, Verapamil oder auch Amiodaron, wiewohl ein Case Report und eine weitere Studie eine unproblematische Anwendung nachgewiesen haben (Link, Link). Medikamentöse Therapien der Wahl (Link) sind Procainamid (Klasse Ia) oder Ibutilid (Klasse III). Eine Überblick über Antiarrhythmika findet ihr hier. Bei Erfüllung von SHIT ist die elektrische Cardioversion (eCV) indiziert, wiewohl es auch rechtfertigbar ist bei einem noch stabilen Patienten gleich eine eCV in Analgosedierung durchzuführen, da eine Degeneration in Kammerflimmern jederzeit möglich ist.

Merke: FBI im Rahmen von WPW ist akut lebensbedrohlich und erfordert rasches Handeln!

TWA

Der T-Wellen-Alternans (TWA) beschreibt eine zyklische Veränderung der T-Wellen-Konfiguration, die v.a. bei kritisch verlängerter korrigierter QT-Zeit (QTc) auftritt (s. EKG). Sein Auftreten ist mit dem unmittelbaren Einsetzen von lebensbedrohlichen Tachyarrhythmien (v.a. Torsaden) assoziiert, da er eine extreme elektrische Instabilität des Herzens signalisiert (Link, Link, Link). Der zugrunde liegende Mechanismus ist noch nicht zur Gänze verstanden. Die Therapie beinhält die sofortige Verabreichung von Magnesium 2 g i.v. (Kind: 25-50 mg/kg i.v.) sowie Platzierung von Defibrillatorpaddels, um bei Instabilitätszeichen (siehe SHIT) eingreifen zu können. Weiters ist ein Kardiologe hinzuzuziehen.

Quelle: Link

Pickelhaubenzeichen

Treue Follower meiner Instagramseite bzw. Leser dieses Blogs wissen mittlerweile, dass ich ein absoluter EKG-Fanatiker bin. Das Pickelhaubenzeichen (Spiked Helmet Sign) wurde 2011 erstmals beschrieben (Link). Am besten wird dies mit einem EKG aus der Arbeit veranschaulicht. Assoziiert ist es mit hyperadrenergen Zuständen wie z.B. Tako-Tsubo, akutes Abdomen, Sepsis, ICB, LQT, kann aber auch (weniger häufig) auf einen OMI hinweisen. Entscheidend ist insgesamt eine sorgfältige Anamnese, um das weitere Vorgehen zu planen. Das Pickelhaubenzeichen ist durch sehr hohe Mortalität durch ventrikuläre Tachyarrhythmien gekennzeichnet, da die verlängerte Repolarisation zu breiten und großen, teils invertierten T-/U-Wellen führt, welche mit dem nachfolgenden QRS-Komplex verschmelzen (Link).

Die QRS-Morphologie ähnelt aufgrund der aberrant ablaufenden Repolarisation einer preußischen Pickelhaube. Doch wie kommt dies zustande? Eine Erklärung liefert folgende Arbeit, die als Ursache eine adrenerg stimulierte Verzögerung der Repolarisation vermutet, die zu TWA, U-Wellenbildung und häufig LQT führt. Besonders der TWA ist von großer Relevanz, da der Patient maximal für Torsaden oder letale Arrhythmien gefährdet ist. Die Therapie ist primär symptomatisch und fokussiert sich auf die vermutete Ursache (Behandlung der Grunderkrankung), zur Stabilisierung der Herzmembran kann Magnesium (2-4 g Magnesiumsulfat) verabreicht werden, das soundso als 1. Wahl bei LQT bzw. Torsaden gilt.


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