AVNRT

Die AV-nodale Reentry-Tachycardie (AVNRT) ist eine Unterform der supraventrikulären Tachycardie (SVT). Zugrunde liegend ist eine erblich bedingte Anlage von zwei Leitungsbahnen (Slow und Fast Pathway) im Bereich des AV-Knotens. Grundsätzlich ist der Sinusknoten (gebildet von Schrittmacherzellen) der Taktgeber des Herzens – depolarisiert er sich, so wird diese Depolarisation in der Regel über den Fast Pathway in die Kammer geleitet. Kommt es unmittelbar danach zu einer Extrasystole (in der Regel supraventrikulär), so erregt diese den Slow Pathway (Fast Pathway ist noch absolut refraktär und daher noch nicht erregbar), welcher die Depolarisation an den kurze Zeit später nun wieder erregbaren Fast Pathway weitergibt. Die Konsequenz ist eine kreisförmige Erregung zwischen dem Slow und Fast Pathway (Link).

Betroffen sind in der Regel herzgesunde Menschen jüngeren Lebensalters (Link). Klassische Symptome sind plötzlich auftretendes Herzrasen (Palpitationen), Dyspnoe, Unwohlsein und Harndrang während bzw. nach Beendigung der Arrhythmie (ua. ANP-Freisetzung durch Atrien, siehe hier). Herzkranke Menschen können sich jedoch SHIT positiv präsentieren. In der klinischen Untersuchung kann das Frog Sign auffallen (Pulsationen der beiden Jugularvenen aufgrund gleichzeitiger Erregung des re. Vorhofs und der re. Kammer mit Schwappen des Blutes gegen die verschlossene Tricuspidalklappe). Im EKG findet sich eine rhythmische Schmalkomplextachycardie (Breitkomplextachycardie möglich bei vorbekanntem Blockbild oder Ermüdungsblock) im Frequenzbereich von ca. 150-220/min (Literatur beschreibt teils bis 280/min!) mit P-Wellen kurz vor, im oder hinter dem QRS-Komplex (Link). Auch ein Pseudo-R‘-Zacke verursacht durch eine P-Welle kann in V1 unter Umständen gesehen werden.

Therapeutisch hat sich folgendes Stufenschema bewährt. Zunächst ist zu eruieren, ob der Patient SHIT positiv ist, denn dies würde eine elektrische Cardioversion erfordern. Ist dies nicht der Fall, so sollte eine Elektrolytkontrolle durchgeführt (mittlerweile präklinisch auch möglich, siehe hier) und therapiert werden (ich strebe als Ziel Kalium von mindestens 4,5 mmol/l an; Daten zu spezifischen Werten sind schwierig zu finden). Der erste therapeutische Schritt wäre dann die Anwendung des modifizierten Valsalva-Manövers (Patient pustet 15 Sekunden in Spritze und wird dann weitere 15 Sekunden in die Schocklagerung verbracht, Link). Es ist bei fast 50% der Patienten erfolgreich.

In der folgenden Abbildung seht ihr das EKG einer jungen Patientin, bei der ich eine AVNRT mit dem modifizerten Valsalva-Manöver erfolgreich durchbrechen konnte.

Der erste medikamentöse Schritt wäre dann Adenosin, welches den AV-Knoten (und Sinusknoten) hyperpolarisiert und so die kreisende Erregung direkt stoppt (Dosierungen siehe Link). Die Gabe darf jedoch ausschließlich unter Reanimationsbereitschaft (mit geklebten Defipaddels) und ärztlicher Anwesenheit erfolgen, da fürchterliche Arrhythmien bis hin zum Herz-Kreislauf-Stillstand beschrieben worden sind. Adenosin ist äußerst unangenehm (Asystolie mit Nahtoderfahrung), und es gibt eine immer größer werdende Anzahl an Ärzten, die es nicht mehr anwenden (Link). Die Erfolgsquote wird mit 80-95% angegeben (Link).

Die Zweitstufe (oder Alternative) ist entweder der Beta-Blocker Esmolol (Dosis siehe Link) oder der Calcium-Antagonist Verapamil (5 mg i.v.). Bei Verapamil beträgt die Erfolgsquote 90%, die wichtigste Nebenwirkung ist Blutdruckabfall aufgrund potenter Vasodilatation. Metoprolol oder Diltiazem sind ebenfalls Optionen. Sind auch diese Maßnahmen erfolglos, so kann Amiodaron (150 – 300 mg i.v.) probiert werden.

Sollte all das nicht helfen, so kann noch eine digital rectale Untersuchung probiert werden (siehe hier). Ok, Spaß beiseite.

Eine nicht-medikamentöse Therapieoption ist neben der elektrischen Cardioversion (initial ~ 100J) auch das Overdrive-Pacing (Link). Dabei wird der Patient transcutan mit Schrittmacherelektroden mit einer Frequenz stimuliert, die höher als die Arrhythmie ist. In der Folge übernimmt das Herz nun die Frequenz des Schrittmachers (Capture) und die Frequenz wird langsam in den normalen Bereich abgesenkt.

Die endgültige Therapie besteht aus der Ablation des Slow Pathways (Erfolgsquote 99%).

Zusammenfassend ist die AVNRT eine häufige Form der SVT. Ein strukturiertes Vorgehen bei der Therapie ist essenziell, und nicht-medikamentöse Therapien haben zunächst Vorrang. Die Nahtoderfahrung für Patienten durch Adenosin darf nicht unterschätzt werden – zurecht wird es daher von immer mehr Ärzten nicht mehr als 1. Wahl genutzt.


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