Anästhesie und Stillzeit

„Wann darf ich nach einer Narkose wieder Stillen?“ ist eine der ersten Fragen die man beantworten muss, wenn man stillende Frauen für eine Anästhesie aufklärt. Erstmal war ich relativ verunsichert und musste natürlich bei Kollegen nachfragen. Hätte man sich doch besser vorher informiert. Damit ihr euch leichter tut fasse ich hier die wesentlichen Infos zu diesem Thema zusammen.

Grundsätzlich sei vorausgeschickt, dass das Ganze eigentlich unproblematisch ist. Aber man hört mit der Zeit doch immer wieder verschiedene und durchaus abweichende Meinungen, auch von Kollegen aus der Gynäkologie oder der Pädiatrie.

Daher wieder einmal die grundsätzliche Frage: Gibt es Leitlinien oder Evidenz zu diesem Thema? Es gibt diese von der Association of Anaesthetists in GBR (Link). Diese Leitlinie gibt einen sehr guten Überblick über einzelne Substanzgruppen und grundsätzliche Erwägungen. Der Guideline vorangestellt sind die Top 10 Empfehlungen, die ich Euch einfach übersetzen möchte. Wenn ihr Antworten auf detailliertere Fragen sucht würde ich empfehlen, den Volltext samt Anhängen zu lesen – mit 12 A4 Seiten ist sie sehr überschaubar.

Top 10 Empfehlungen

  1. Frauen sollen ermutigt werden, nach einer Narkose normal zu stillen.
  2. Es ist nicht notwendig nach einer Narkose Muttermilch abzupumpen und zu entsorgen.
  3. Anästhetische Pharmaka und Nicht-Opioid-Analgetika werden nur zu sehr geringen Teilen in die Muttermilch transferiert. Für nahezu alle perioperativ benutzen Pharma gibt es keinerlei Evidenz, dass Schaden für das gestillte Kind entstehen könnte.
  4. Pharmaka wie Opioide und Benzodiazepine sollten mit Vorsicht benutzt werden, insbesondere nach mehreren oder wiederholten Dosen bei Säuglingen <6 Wochen (adaptiert für das Gestationsalter). In diesem Situationen sollten die Kinder nach dem Stillen beobachtet werden, um Zeichen einer abnormen Müdigkeit oder Atemdepression frühzeitig zu erkennen, insbesondere wenn die Mutter ebenfalls klinisch Zeichen einer Sedierung zeigt.
  5. Codein soll bei stillenden Müttern nicht verabreicht werden, da aufgrund der Verstoffwechselung bei manchen Kindern eine übermäßige Sedierung beobachtet werden konnte.
  6. Jede Frau mit Kindern <2 Jahre soll routinemäßig präoperativ befragt werden, ob sie aktuell stillt.
  7. Opioidsparende Narkoseverfahren sollen bei stillenden Müttern bevorzugt werden. Lokal- und Regionalanästhesieverfahren haben diesbezüglich Vorteile, insbesondere beeinträchtigen sie die Fähigkeit der Mutter am wenigsten, sich selbst um ihr Kind zu kümmern.
  8. Wenn möglich sind tagesklinische Eingriffe bei stillenden Müttern zu bevorzugen, um die täglichen Routinen am wenigsten zu stören. Nach tagesklinischen Eingriffen sollten die Mütter für 24 Stunden unter Aufsicht eines handlungsfähigen Erwachsenen verbleiben. Beim Schlafen mit dem Kind (Co-Sleeping) oder beim Schlafen während des Stillens sollte man besondere Vorsicht walten lassen, da die Reaktionsfähigkeit eingeschränkt sein kann.
  9. Unterstützung beim Stillen sollte für alle stillenden Frauen rund um eine Operation oder eine medizinische Behandlung verfügbar sein.
  10. Patienteninformationsmaterial und weitere Ressourcen bezüglich der Verträglichkeit von benutzten Pharmaka und dem Stillen, sowie Informationen zum Stillen nach einem Eingriff sollten für alle Patientinnen perioperativ verfügbar sein.

Zusammenfassung

Stillen nach einer Narkose ist weitgehend unproblematisch. Unter anderem ist eine Aussage der Leitlinie, dass Stillen jedenfalls dann sicher möglich ist, wenn die Mutter vollkommen wach und in der Lage ist, ihr Kind selbstständig anzulegen.

Genauere pharmakologische Daten zu einer Vielzahl von Medikamenten im Zusammenhang mit dem Stillen finden sich übrigen auch in der kostenlosen Datenbank LactMed und bei Embryotox.


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