Die Präanästhesieambulanz ist nicht unbedingt der liebste Arbeitsplatz vieler Anästhesisten. Oft kommen hier stressige Tage, viele Patienten und das berühmte „mit einem Bein im Kriminal“ zusammen. Diese Abneigung kommt auch daher, dass man im Medizinstudium nie wirklich gut lernt, wie man eine gute Aufklärung durchführt. Oftmals geht es nur um die kommunikativen Aspekte (und die Lehrenden kennen sich fachlich nicht aus), oder man gerät an die Fraktion der „es klagt eh niemand“ Kollegen, die meinen, man muss das alles nicht so genau nehmen – Hauptsache man hat einen unterschriebenen Aufklärungsbogen.
Aber wie ist das wirklich? Wie sieht eine gute Narkoseaufklärung aus?
Als Grundvoraussetzung muss man wissen, dass sich die Aufklärungspflicht aus der Autonomie – dem Selbstbestimmungsrecht – der Patienten ergibt. Das ist ein grundlegendes Menschenrecht und die Beachtung der Autonomie unserer Patienten ist eines der fundamentalen ethischen Prinzipien im Bereich der Medizin.
Grundsätzlich müssen Patienten über Diagnosen, Therapien und Risiken aufgeklärt werden.
Auf die Diagnoseaufklärung gehe ich nur ganz kurz ein, da sie uns im Bereich der Anästhesie selten trifft. Da geht es schlicht darum, dass man den Patienten erklärt woran sie leiden. Sie haben das Recht zu wissen welche Erkrankung sie haben/haben könnten. Nur so verstehen sie auch, welche weiteren Schritte notwendig sind.
Ein wichtiger Teil ist anschließend die Behandlungs- oder Therapieaufklärung. In diesem Schritt müssen wir erklären, was geplant ist bzw. was geschehen wird. Das bedeutet in der Praxis, dass man nachvollziehbar und „verdaubar“ erklären muss, wie das geplante Narkoseverfahren ablaufen wird.
Der für uns praktisch bedeutsamste Teil ist die sogenannte Risikoaufklärung. Dabei müssen wir über mögliche Komplikationen der geplanten Verfahren aufklären. Typische Risiken (z.B. Zahnschaden) müssen ebenso aufgeklärt werden wie ausgesprochen seltene, dafür aber schwere Komplikationen (z.B. maligne Hyperthermie).
Konkret gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, Aufklärungsbögen, Videos und andere Hilfsmittel. Sehr viel ist auch eine Stilfrage! Für mich funktioniert eine Aufklärung am besten, wenn man die notwendigen Untersuchungen mit der Aufklärung verbindet. Beim Zahnstatus bitte ich die beispielsweise die Patienten, den Mund zu öffnen und die Zähne zu zeigen und erkläre dabei gleichzeitig, dass es im Rahmen der Atemwegssicherung zu Zahnschäden kommen kann. Patienten wissen ja grundsätzlich, dass jede medizinische Behandlung Risiken hat, das Risiko an sich muss aber von einem Profi eingeordnet werden.
Narkoserisiko
Das ist wirklich sehr individuell (Patient und Operation), aber grob kann man es beispielsweise über die ASA-Klassifikation ausdrücken. So wird etwa die Zahl der Todesfälle pro 1 Million Narkosen wie folgt angegeben: ASA I – 4, ASA II – 50, ASA III 270 und ASA IV 550 (Hacket. et. al.). Das ist eigentlich wirklich wenig, denn es würde bedeuten, dass mehrere Anästhesisten ihr ganzes Berufsleben lang ASA IV Narkosen machen können und niemals einen Todesfall sehen. Anästhesie ist ziemlich sicher, solange sie von Experten durchgeführt wird! Es gibt übrigens auch Daten aus Deutschland, allerdings nur für gesunde Patienten (ASA I und II): Die indirekte Mortalität wird mit 26,2 Fällen pro Million Narkosen, die direkte (anästhesiebedingte) Mortalität mit 7,3 Fällen pro Million Narkosen (Schiff et. al. 2014).
Was aufklären?
Grundsätzlich stehen die Risiken auf dem Anästhesierevers zusammengefasst. Diesen müssen die Patienten vor dem Gespräch durchgelesen haben, letztlich unterschreiben sie ihn auch. Jetzt kann man – ganz praktisch – nicht jedem Patienten den ganzen Revers nochmal vorlesen. Daher – als praktische Empfehlung – die Punkte, die ich in jedem Aufklärungsgespräch jedenfalls erwähne und auch handschriftlich am Revers vermerke:
- Heiserkeit, Halsbeschwerden, Stimme
- Zahnschäden
- Lagerungschäden (besonders wichtig bei Bauchlage oder Beachchair)
- PONV und Schmerzen
- Nüchternheitsgrenzen (inkl. Nikotin!)
Bei Spinalanästhesie:
- Blutung/Hämatom und Nervenschäden
- Infektionen
- Kopfschmerz
- Blasenentleerungsstörung und Harnkatheter
- Sedierungsrisiken (falls gewünscht!)
- Umstieg auf Allgemeinanästhesie
- Nüchternheitsgrenzen (inkl. Nikotin!)
Bei Regionalverfahren:
- Nervenschäden
- Infektionen
- Schmerzkatheter und Pumpen (falls gewünscht)
- Lokalanästhetika-Intox (Frühsymptome wie metallischer Geschmack etc. erwähnen)
- Sedierungsrisiken (falls gewünscht!)
- Umstieg auf Allgemeinanästhesie
- Nüchternheitsgrenzen (inkl. Nikotin!)
Bei entsprechenden Eingriffen müssen weitere Dinge aufgeklärt werden, beispielsweise ZVK, arterielle Blutdruckmonitoring, postoperativer ICU-Aufenthalt oder mögliche Bluttransfusionen.
Conclusio
Letztlich ist der wichtigste Punkt, dass man die Anästhesie bzw. den geplanten Eingriff verständlich erklären sollte. Dabei ist es wichtig auf den Patienten, die OP und auch den Hausbrauch einzugehen. Die Patienten sollen einfach ganz konkret wissen, was mit ihnen passieren wird und was sie selbst beachten und beitragen müssen (-> Nüchternheit!). Wenn man sich dann noch – beispielsweise durch Rückfragen – vergewissert, dass alles verstanden wurde, hat man eigentlich ein super Gespräch geführt.
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