Glyceroltrinitrat (GTN), auch bekannt als Nitro, ist ein Vasodilatator und Antianginosum aus der Gruppe der Nitrate. Es wird primär sublingual oder intravenös verabreicht, wobei auch eine transdermale Anwendung beobachtet werden kann.
Wirkmechanismus
Dieser beruht auf Umwandlung zu Stickstoffmonoxid (NO) und einer Aktivierung der Guanylatcyclase, welche GTP zu cGMP verarbeitet und dadurch zu einer Reduktion des intrazellulären Calcium-Gehaltes führt. Die Folge ist eine Vasodilatation primär des venösen Systems. Erst bei höherer Dosierung kommt auch eine signifikante Arteriodilatation zustande, wobei insbesondere Herzgefäße von der Dilatation profitieren. Durch venöses Pooling wird der rechts- und linksventrikuläre enddiastolische Druck gesenkt; insgesamt ist eine Harmonisierung der Herzfunktion die Folge. Die Vasodilatation ist auch cerebral evident, weshalb GTN streng genommen bei erhöhtem Hirndruck kontraindiziert ist. Als absolute Kontraindikation gilt die Einnahme von Phosphodiesterase-V-Hemmern (Sildenafil ~ Viagra, Tadanafil ~ Cialis), da das erzeugte cGMP nicht abgebaut werden kann. Es droht ein Kreislaufversagen.
Indikationen
Klassische Indikationen sind (in)stabile Angina Pectoris (primär s.l. oder t.d., aber auch i.v.), akute Herzinsuffizienz inkl. SCAPE (s.l., i.v.) und – wenn andere Maßnahmen wie Narkosevertiefung oder Urapidil nicht helfen – die engmaschige intraoperative i.v. Blutdruckkontrolle (z.B. Aortendissektion, akute Herzinsuffizienz, …). Bei Patienten mit OMI/NOMI ist eine Anwendung laut ESC erwägbar, um Pectangina zu lindern. Eine spezielle Indikation stellt die Tocolyse (s.l.) im Kreißsaal z.B. bei Cerclage des Uterushalses oder Placentaretention dar. Die typische s.l. Dosis beträgt 0,4-0,8 mg, i.v. werden zunächst 0,5-1 mcg/kg/min verabreicht. Aufgrund der sehr kurzen Wirkdauer und somit exzellenten Steuerung ist eine Dosistitration leicht möglich. Bei SCAPE sind die Dosierungen weitaus höher. Definitiv empfiehlt sich bei i.v. Gabe die Anlage einer invasiven arteriellen Druckmessung. Beachte, dass sich GTN-Pflaster entzünden können, weshalb diese vor elektrischer Cardioversion (Link) oder Defibrillation zu entfernen sind.
Mythos Rechtsherzinfarkt
Sehr häufig bekommt man zu hören, dass GTN bei Rechtsherzinfarkt kontraindiziert sei (Fachinfo: mit Vorsicht verabreichbar). Zugrunde liegend ist die Annahme, dass die Vorlastsenkung zu einem Rechtsherzversagen führt, da der RV ja von Vorlast (und Flüssigkeit) profitiert. Dies wird von AHA und ESC in ihren Leitlinien auch so festgehalten (Klasse III, Evidenzlevel B – sehr schwach). Interessanterweise lässt sich jedoch feststellen, dass die Hauptstudie aus dem Jahr 1989 stammt, 40 Patienten untersuchte und die Nitratdosierungen unklar waren. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2023 stellte fest, dass die AHA / ESC Empfehlung nicht nachvollziehbar ist. Stärke der Metaanalyse waren die Dosis von 0,4 mg s.l. sowie > 1100 inkludierte Patienten. Nachteilig ist, dass keine Studie randomisiert war und auch kein isolierter Rechtsherzinfarkt inkludiert war. Insgesamt lässt sich also festlegen, dass der Rechtsherzinfarkt höchstwahrscheinlich keine Kontraindikation für eine GTN-Gabe darstellt.
Mythos IV-Zugang
In gewissen Kreisen herrscht ebenfalls der Mythos, dass jeder Patient, der GTN s.l. erhält, zuvor einen i.v. Zugang braucht, um bei drastischem Blutdruckabfall Flüssigkeit verabreichen zu können. Ganz grundsätzlich sind hier drei Dinge zu beachten:
- kein Arzt dürfte einem Patienten für zuhause GTN rezeptieren, da dieser ja keinen i.v. Zugang hat
- insbesondere bei akuter Herzinsuffizienz, die häufig durch Hypervolämie bedingt ist, ist ein drastischer Blutdruckabfall durch GTN unwahrscheinlich (Gefäße sind gut gefüllt und hypervoläm)
- ein Blutdruckabfall durch GTN wird nicht mit Flüssigkeit, sondern einem Vasopressor behandelt, da eine Vasodilatation die Ursache ist
Fazit
GTN stellt ein wertvolles und schnell applizierbares (s.l.) Antianginosum insbesondere für das häusliche Umfeld dar, welches Patienten rasch Erleichterung bringen kann. Auch im Rettungsdienst hat es nachwievor seine berechtigte Existenz, da wir mit zwei Indikationen (ACS, akute Herzinsuffizienz) häufig konfrontiert sind. Bei anderen exotischen Indikationen wie Analgesie bei Nieren– oder Gallenkolik (Muskelrelaxation) gilt es als obsolet. Hier sind Nicht-Opioide die bessere Wahl.
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