Nicht-Opioidanalgetika

Der Einfachheit halber legen wir die Nicht-Opioidanalgetika übersichtlich für euch hier zusammen. Der Beitrag wird laufend erweitert. Indikationen und Nebenwirkungen sind als ident anzusehen, spezielle Einzelheiten werden bei den einzelnen Substanzen erwähnt. Einen besonderen Stellenwert haben sie auch bei der Opioid-freien Anästhesie (OFA).

Paracetamol

Paracetamol (PCM; Acetaminophen) gilt als eines der gebräuchlichsten Nicht-Opioid-Analgetika weltweit. Grundsätzlich ist es eher bei leichten Schmerzen hilfreich, in Kombinationstherapie mit nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) ergeben sich jedoch synergistische Wirkmuster (Link). Im perioperativen Setting findet PCM häufigen Einsatz und gilt insbesondere bei Kindern und Schwangeren als Analgetikum der ersten Wahl, wiewohl neuere Arbeiten einen möglicherweise negativen Effekt auf die fetale Entwicklung bei undifferenzierter Anwendung postulieren (Link). Über das genaue Wirkmuster von PCM herrscht noch Uneinigkeit. Die analgetischen bzw antipyretischen Effekte werden unter anderem durch periphere und zentrale COX-Inhibition, Agonismus an Serotonin-Rezeptoren und Antagonismus an NMDA-Rezeptoren vermittelt (Link, Link, Link). Als Dosis empfehlen sich 1 g i.v. (bzw bei Kindern 15 mg/kg i.v.) alle 6h, der Wirkbeginn ist innerhalb von 15 Minuten. Oral werden 500-1000 mg (bzw 15 mg/kg) verabreicht. Es wird diskutiert, ob nicht eine Loading Dose von 2 g i.v. effizienter als 1 g i.v. ist (Link).

Grundsätzlich gilt PCM als gut verträglich, das Nebenwirkungsmuster ist im therapeutischen Bereich überschaubar. Die intravenöse Gabe kann jedoch zu einem Blutdruckabfall führen, vermutlich durch Aktivierung von Kalium-Kanälen, welche zu Hyperpolarisation von glatten Gefäßmuskelzellen mit Vasodilatation führt (Link). Zu berücksichtigen ist jedenfalls die enge therapeutische Breite von PCM, als Maximaldosis in 24h werden 60 mg/kg bzw 4 g angegeben. Der Metabolit wirkt hepatotoxisch und wird durch Glutathion neutralisiert, welches jedoch nur in begrenzter Menge verfügbar ist. Das Antidot im Falle einer Intoxikation ist N-Acetylcystein. Inwiefern Ondansetron den analgetischen Effekt beeinträchtigt ist noch Gegenstand von Diskussionen.

Metamizol

Metamizol zählt zu den wichtigsten Nicht-Opioid-Analgetika in Österreich und findet sich im Standardrepertoire eines jeden Anästhesisten. Die schmerzstillende Wirkung (Link, Link) beruht ua. auf einer unspezifischen Blockade von Cyclooxygenase-Enzymen (COX) sowie von Calcium-Kanälen (Spasmolyse!). Dadurch ergeben sich analgetische, antipyretische und nur schwach antiphlogistische Wirkungen. Metamizol zählt nicht zu den nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR, Link). Als übliche Dosis empfehlen sich laut Fachinfo 10-15 mg/kg i.v. oder p.o. (auch im Kindesalter, wobei Kinder < 1J Metamizol parenteral nur i.m. erhalten dürfen), beim Erwachsenen somit 0,5-1 g i.v. / p.o., wobei im klinischen Alltag bei (erwartbaren) starken Schmerzen auch 2 g i.v. injiziert werden. Eine Einzeldosis kann bis zu 4x/d verabreicht werden, wobei laut Fachinfo die Grenze der i.v.-Gabe bei 5 g/d liegt.

Nebenwirkungen sind im Allgemeinen relativ selten. So kann es bei zu schneller Gabe aufgrund von Vasodilatation zu einem drastischen Blutdruckabfall bis hin zum Kreislaufzusammenbruch kommen (Link). Hinzu kommt v.a. bei hoher Tagesdosis die Gefahr von gastrointestinalen Blutungen (Link). Ansonsten ist Metamizol ein sehr sicheres und in der Regel gut verträgliches potentes Schmerzmittel, insbesondere wenn eine spasmolytische Komponente besteht. Die größte Kontroverse besteht sicherlich um die Agranulocytose, welche der Grund ist, wieso Metamizol in vielen Ländern verboten ist. In diesem Übersichtsartikel (leider nicht mehr zugänglich) ist die Entwicklung des Verbots großartig beschrieben. Eine 1986 publizierte Studie schätzte das Agranulocytose-Risiko unter Metamizol auf 1 : 1 Million. Seitdem hat sich – wie im Artikel beschrieben – viel getan, was eine Neubewertung des Agranulocytose-Risiko möglich machte, sodass laut den Autoren die Conclusio gezogen werden kann, dass das Agranulocytose-Risiko bei 1 pro 2 Millionen ambulante Anwendungen und nach 1-wöchiger Behandlung bei 1 zu 95 000 – 286 000 liegt. Die Letalität einer erkannten und behandelten Agranulocytose beträgt 10%, womit laut den Autoren mit einer Mortalität von 1 pro 5-15 Millionen ambulanten Tagesanwendungen bzw. 1 pro 0,95-2,9 Millionen Anwendungen über 1 Woche zu rechnen ist. Somit ist das Risiko, an einer Metamizol-induzierten Agranulocytose zu versterben, niedriger als das Todesrisiko durch eine gastrointestinale oder cardiovaskuläre Komplikation durch ein NSAR. 1998 stellte Andrade in dieser Arbeit fest, dass die berechnete Mortalität pro Einnahme über eine Woche aufgrund von Agranulocytose, gastrointestinalen Blutungen oder Anaphylaxie bei Diclofenac 592 / 100 Millionen, bei Acetylsalicylsäure 185 / 100 Millionen, bei Metamizol 25 / 100 Millionen und bei Paracetamol 20 / Millionen betrug, was die Sicherheit der Substanz verdeutlichte. Insgesamt ist Metamizol eine sehr sichere Substanz, wie auch diese Arbeit zeigt. Patienten sollten aber bei ambulanter Einnahme über Symptome einer Agranulocytose (Halsschmerzen, Fieber) aufgeklärt werden, da die Prognose bei frühzeitiger Therapie (Granulocyten-Stimulierender-Faktor) gut ist.

Parecoxib

Parecoxib, ein intravenöses Prodrug von Valdecoxib, ist ein selektiver Hemmer der Cyclooxygenase (COX) 2 mit starken analgetischen, antiphlogistischen und antipyretischen Eigenschaften. Es wird zu den nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) gezählt und ist mein NSAR der Wahl in der Prophylaxe bzw. Therapie von starken (postoperativen) Schmerzen (Link, Link, Link, Link, Link, Link, Link). Der Vorteil von Parecoxib sind die starke Analgesie (auch im Vergleich zu anderen NSAR, Link, Link, Link, Link), die lange Wirkdauer und große Sicherheit für den Patienten. Für Personen < 18 Jahren hat Parecoxib formal keine Zulassung, Studien wiesen aber eine zuverlässige Analgesie nach. Kleine Arbeiten stellen auch eine reduzierte postoperative Delirinzidenz in den Raum. Ich verabreiche initial 40 mg i.v. (Wirkpotenz entspricht ca. 12 mg Morphin). Die Wirkung beginnt innert weniger Minuten, erreicht die maximale Stärke innerhalb von 2h und hält dann bis zu 12h an (Link). Nach 6h können bei Bedarf 20 mg erneut verabreicht werden, die Maximaldosis beträgt 80 mg/24h.

Die fehlende Hemmung von COX 1 hat zur Folge, dass Parecoxib die Thrombocytenaggregation nicht unterbindet (Wirkung von Thromboxan A2, welches prothrombotisch ist, bleibt erhalten). Blutungskomplikationen erscheinen somit weniger häufig als bei klassischen NSAR (Link), wiewohl dies umstritten ist (Link; Autoren räumen aber ein, dass der blutungsfördernde Effekt nicht statistisch signifikant ist). Durch Blockade von COX2 kommt es zu reduzierter Produktion des vasodilatierenden und antithrombotischen Prostacyclins (PGI2), weshalb Parecoxib (wie jedes NSAR) insbesondere bei längerer Anwendung mit cerebro- und cardiovaskulären Komplikationen vergesellschaftet ist (Link). Daher vermeide ich jegliches NSAR zur Schmerztherapie bei Patienten mit cerebro- oder cardiovaskulären Erkrankungen in der Anamnese (z.B. ischämischer Insult, coronare Herzkrankheit, arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz). Weitere Komplikationen sind Ulcera bzw. GIT-Blutungen und Nierenschädigung, weshalb ich Parecoxib (wie jedes NSAR) bei diesen Patientengruppen ebenfalls nicht anwende. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass all diese Nebenwirkungen bei korrekter Anwendung von Parecoxib insgesamt relativ selten auftreten (siehe diese Übersichtsarbeit).


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