Im heutigen Beitrag geht es um ein hochkomplexes Thema – die künstliche Beatmung (Ventilation) eines Menschen mittels Beatmungsmaschine. Ich möchte euch hier einen sehr simplifizierten, aber verständlichen Überblick geben. Spezielles Airwaymanagement findet ihr hier.
Während die Spontanatmung eine Unterdruckatmung ist (bei Einatmung wird Umgebungsluft durch Vergrößerung des Brustkorbraumes regelrecht in die Alveolen gesaugt), ist die künstliche Beatmung eine Überdruckatmung (es wird Luft in die Lungen gedrückt). Dies kann z.B. über einen Beatmungsbeutel, eine Larynxmaske oder einen Trachealtubus erfolgen. Ganz allgemein verwenden wir im klinischen Alltag zwei Formen der Beatmung, und zwar die volumenkontrollierte Ventilation (VCV) und die druckkontrollierte Ventilation (PCV).
VCV
Bei VCV stellt man ein gewünschtes Atemzugvolumen (Tidalvolumen, TV) ein (z.B. 450 ml), welches die Maschine applizieren soll. Dies erfolgt primär anhand eines berechneten oder voreingestellten Inspirationsflusses (i.d.R. 30-60 l/min). Je höher der Fluss ist, desto schneller wird das TV verabreicht. Die Maschine verabreicht die 450 ml wie ein Metronom und nimmt dabei keine Rücksicht auf den Druck, den sie mit der Applikation des TV auf die Atemwege erzeugt. So kann es bei einem adipösen Patienten (abdominelle Masse verdrängt Zwerchfell nach oben, wodurch die Lunge basal komprimiert und die Thoraxexkursion beeinträchtigt wird) aufgrund der erniedrigten Compliance (Dehnbarkeit) der Lunge und Thoraxwand zu sehr hohen Atemwegsdrücken kommen (CAVE: Barotrauma). Aus diesem Grund wird ein maximal Atemwegsdruck (Pmax, i.d.R. 30-35 cm H2O) eingestellt, d.h. wird dieser erreicht, so wechselt die Maschine aus Sicherheitsgründen in die Exspiration, unabhängig davon ob die ganzen 450 ml TV verabreicht worden sind. Hier muss man sich dann auf Ursachensuche begeben (s. DOPERS). Bei VCV ist also das TV die Konstante und der Atemwegsdruck die Variable.
PCV
Bei PCV stellt man wiederum den Inspirationsdruck (Pinsp) ein, z.B. 15 cm H2O. Die Menge des applizierten TV ist abhängig von der Compliance des Lungengewebes und der Thoraxwand sowie der Resistance der Lunge (z.B. Bronchospasmus?). So könnte bei einem schlanken Menschen ein Pinsp von 15 cm H2O z.B. 600 ml TV erzeugen, bei einem adipösen Patienten aber vielleicht nur 250 ml. Entsprechend ist bei PCV der Atemwegsdruck die Konstante und das Tidalvolumen die Variable. Daher ist PCV keine gute Wahl, wenn ein spezifisch gewünschtes Tidalvolumen appliziert werden soll.
Ich selbst verwende im OP eine Kombination aus VCV und PCV, die sich Pressure Regulated Volume Control (PRVC, Link) nennt. Dabei errechnet die Maschine nach jedem verabreichten Hub den für den nächsten Atemzug erforderlichen optimalen Druck, um ein eingestelltes TV zu verabreichen. Es handelt sich also um eine druckkontrollierte Beatmung mit Volumengarantie in Echtzeitanpassung.
Beatmungsparameter
Weitere Variablen, die wir an unserer Maschine einstellen können, seht ihr in der Abbildung. Hinzu kommen noch der O2-Gehalt der Einatemluft (FiO2; angepasst an SpO2 oder SaO2), der oben erwähnte Pmax und klassischerweise bei VCV der Inspirationsfluss. In der Exspirationsphase fällt der Druck in den Atemwegen auf einen von der Maschine aufrechterhaltenen Wert ab (PEEP, s.u.). PEEP verhindert u.a. einen Kollaps der Alveolen, denn stetiges Zusammenfallen (bei Exspiration) und Wiedereröffnen (bei Inspiration) der Lungenbläschen kann Lungenschäden verursachen. Beachte, dass Beatmung per se unphysiologisch ist und lungenschädliche Effekte haben kann (Link).

ePEEP
Dies steht für extrinsic Positive End-Expiratory Pressure und entspricht einem künstlich aufrechterhaltenen extrinsischen Druck, der am Ende der Exspirationsphase erzeugt wird. Die Applikation erfolgt über die Beatmungsmaschine oder ein PEEP-Ventil am Beatmungsbeutel. Klinisch übliche Werte sind 5-10 cm H2O oberhalb des Atmosphärendrucks. Aber was genau ist der Sinn von ePEEP? Grundsätzlich ist eine künstliche Beatmung unphysiologisch, da es sich im Gegensatz zur Spontanatmung nicht um eine Unterdruck-, sondern Überdruckbeatmung handelt. Das heißt wir applizieren mit Druck Luft in die Lunge. Die Exspiration ist sowohl bei Spontan- als auch künstlicher Beatmung passiv, das heißt durch die elastischen Rückstellkräfte der Lunge kommt es zur Ausatmung von Luft. Ohne PEEP würde es bei künstlicher Beatmung zu einem ständigen Kollabieren (bei jeder Exspiration) und Wiedereröffnen der Alveolen (bei jeder Inspiration) kommen, was langfristig ein Alveolartrauma verursachen würde.
ePEEP verhindert bei künstlicher Beatmung also einen Alveolarkollaps am Ende der Exspiration und garantiert so eine erhaltene funktionelle Residualkapazität (FRC). Dadurch erklärt sich, dass ePEEP insbesondere für die Oxygenierung wichtig ist, da die offenen Alveolen nicht kollabieren und somit offen bleiben. ePEEP ist auch bedeutend bei Patienten mit reduzierter FRC (z.B. Adipositas, Schwangerschaft) oder Hypoxämie durch Atelektasen, da man nach Durchführung von einem Rekrutierungsmanöver (d.h. manuell wird kurzfristig während der Inspiration ein sehr hoher Druck auf die Atemwege erzeugt [z.B. 30-40 cm H2O] und mittels kurzem Haltemanöver die Lunge in Dehnung gehalten, um kollabierte Alveolarbezirke aufzudehnen und zu rekrutieren; alternativ sind auch maschinelle Rekrutierunsmanöver möglich; Link, Link) einen höheren ePEEP (z.B. 10 cm H2O) einstellt, um die dann neu rekrutierten Alveolarbezirke offen zu halten. Bei Patienten mit Hypoxämie, erniedrigter FRC (z.B. basale Lungenkompression durch Adipositas, Schwangerschaft oder Ascites) oder während laparoskopischen Eingriffen (Link) stelle ich grundsätzlich einen PEEP von 7-10 cm H2O ein.
Bei Applikation von ePEEP gilt es jedoch mögliche Nebenwirkungen zu berücksichtigen, die mit steigenden Werten ausgeprägter sind (Link, Link):
- Erhöhung des intracraniellen Drucks aufgrund Kompression von intrathorakalen Venen durch die Lunge (umstritten)
- Blutdruckabfall (Reduktion des venösen Rückstroms durch Kompression von intrathorakalen Venen)
- paradoxe Verschlechterung der Hypoxämie (zu hoher PEEP komprimiert alveoläre Kapillaren und verhindert Gasaustausch)
- Baro- und Alveolartrauma (bis hin zu Spannungspneumothorax)
- CAVE: bei akuter Herzinsuffizienz durch Flüssigkeitsüberladung kann PEEP vorteilhaft sein, da durch Reduktion des venösen Rückstroms die Arbeit auf der Frank-Starling-Kurve verbessert wird, und außerdem Flüssigkeit aus den Alveolen zurück ins Interstitium gedrängt wird (Link)
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